Die Katze lässt das Mausen nicht. Nachdem die Stimmung bereits beim letzten Rennen in Leogang auf Off-Season war, packte ich vergangenes Wochenende noch mal die halbe Garage in mein Auto und donnerte über den Brenner nach Italien. Fast schon traditionell feiert die Enduro World Series ihr letztes Event des Jahres in Finale Ligure an der Mittelmeerküste. Während wir als Team das ganze Jahr über auf verschiedensten Veranstaltungen verstreut sind, kommen dort alle nochmal zusammen, um den Saisonabschluss einzuleiten.

Der Winter naht! Selbst in bella Italia fallen die Blätter schon von den Bäumen.
Ich stieß also zum Rest meines Teams, das zuvor bereits in Ainsa/Spanien bei der Enduro World Series war, und genoss eine gute Portion Trails zum letzten Mal für 2015 im Renntempo. Zwar war ich mein halbes Leben auf den verschiedensten Rennstrecken Europas unterwegs, aber dennoch hat jede Rennserie ihre eigenen Gesetze. Auch dieses Wochenende musste ich mich erst an den Rhythmus der EWS gewöhnen.
Die Jungs leiten das Wochenende nämlich bereits am Donnerstag mit dem ersten von zwei Trainingstagen ein, bevor sie am Samstagmorgen auf Renntempo umstellen. Und das wird dann abermals für zwei Tage durchgezogen. Statt vom Rennwochenende kann man hier also eher von einer Rennwoche sprechen. Der Aufwand für ein solches Event ist enorm, denn beim Training kann man auch nicht einfach so drauflospedalieren. Ohne Shuttle ist man in Finale quasi aufgeschmissen. Und so zwängte sich eben das komplette Fahrerfeld in Kleinbusse mit Fahrradanhänger, um sich die Stages im Training einzuprägen.

Beim Training waren die Strecken noch etwas feucht.
Sicherheit der Fahrer muss oberste Priorität haben
Mir geht das Shutteln immer etwas auf die Nerven, aber um Chancengleichheit zu schaffen, war es wohl notwendig. Leider machte das Wetter den Veranstaltern in Italien einen Strich durch die Rechnung. Bereits bei der Startnummernausgabe am Mittwochabend wurden Sturmwarnungen und starke Regenfälle angekündigt, die dann am Freitag tatsächlich zu einer Streckensperrung und einem Trainingsverbot führten. Es scheint, als seien die Veranstalter vorsichtig geworden nach dem schweren Unglück in Colorado (Link, Anm. SB) und so blieb Stage eins sogar komplett geschlossen, da wegen des Regens keine Bergungsmöglichkeiten im Rennen gegeben waren. Natürlich muss bei einem solchen Event die Sicherheit der Athleten an erster Stelle stehen. Die Verkürzung des Rennens war also der richtige Schritt.
Der verbleibende Rest der Rennstrecke präsentierte sich auf nunmehr fünf Stages sehr tretlastig. Bei manchen Sonderprüfungen munkelte das Fahrerfeld sogar, ober der Start nicht niedriger als das Ziel liege, da teilweise acht- bis zehnminütige Tretpassagen diesen Eindruck vermittelten. Auch Klassiker wie der "Mens DH" in Varigotti wurden mit ein paar ordentlichen Tretstücken vor dem eigentlichen Einstieg verlängert.

Der "Mens DH" auf Stage fünf war Zuschauermagnet. Hier passiert Döhls Teamkollege Nico Lau.
Es scheint fast, als wollten sich die Veranstalter immer mehr vom Downhill-Image trennen und mit derartigen Stages vermehrt die Massen aus dem Marathon- und XC-Bereich ansprechen. Die Eckdaten mit knapp 100 km und 4000 hm an einem Wochenende passten für eine solche Auslegung jedenfalls schon. Für alteingesessene Piloten des Endurozirkus’ ist das zwar eine Umstellung, aber vielleicht ein guter Weg für den Sport. Auf alle Fälle sorgte die Strecke für ordentlich Gesprächsstoff während der langen Transferetappen.
Mechaniker-Nachtschicht vor dem Rennen
Während ich realistisch gesehen keine großen Ambitionen in diesem Rennen hatte, war der Rest des Teams doch etwas angespannt. Greg Calghan oder Nico Lau wollten sich im Overall-Ranking der EWS noch einmal nach vorne schieben und auch die Teamwertung für die Saison 2015 war noch hart umkämpft. Und so wurde der Teammechaniker Jan Wittmaack schon mal die ein oder andere Stunde länger beansprucht, um auch beim Material nichts dem Zufall zu überlassen.

Das neue Bike wird von Jan Wittmaack in Schuss gehalten.
Ich spulte mein Programm ab, hatte großen Spaß und täglich einen Sturz auf den Trails. Lediglich Platz 78 – kein Grund, aus dem Häuschen zu sein, aber immerhin OK. Gemeinsam mit Daniel Eiermann battelte ich mich auf den hinteren Rängen um die Position des besten deutschen Athleten, nachdem Marcus Klausmann ausgefallen war und sich weder die Reisers noch Fabian Scholz dieser Aufgabe hier in Finale stellten. In der Teamwertung belegten wir am Ende Rang drei und mit Nico und Greg in den Top-Ten belohnte das Team die nächtlichen Mechanikerstunden von Jan.
Und nach der Party: Katerstimmung
Am Abend ging es zur Riders-Party auf die Piazza von Finale, am nächsten Morgen gab's lange Gesichter über einigen Hoteltoiletten. Es war geil, die Saison am Meer ausklingen zu lassen und nochmal ordentliche Trails unter die Stollen zu nehmen, bevor wir uns alle in die Winterpause verabschiedeten. Während sich die deutsche Männerfraktion um Rang 80 rumtrieb, gab Ines Thoma noch mal richtig Gas und fuhr mit Rang drei ihr erstes Podium in der EWS ein! Wir Männer zeigen größten Respekt dafür!
Bei den Männern störte lediglich Jared Graves als Erster das perfekt französische Podium mit Barel und Vouilloz. Kleine Bemerkung am Rande: Unter den ersten 30 Männern hatten lediglich elf keine französische Staatsangehörigkeit! Da müssen wir Deutschen wohl noch etwas üben. Aber bevor wir uns zum nächsten Vergleich treffen, dreht sich erst mal das Fahrerkarussell. Laut Gerüchteküche gibt es einige Änderungen für 2016.
Ludwigs Race Diaries: Enduro-Blog 2015 von Ludwig Döhl
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