Traditionell wird das Saisonende für Outdoor-Sportarten von der Lebensmittelindustrie eingeleitet. Sobald es die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen gibt, weiß der gemeine Sportler, dass die Tage gezählt sind, an denen man in kurzer Montur zum Training ausrückt. Während sich die Bevölkerung Mitteleuropas mit einer Kanne Tee auf die heimischen Sofas verzieht, stürmen wir Biker nochmal los, um unseren Körper vor der Winterpause mit Adrenalin und Laktat zu fluten.
Das Saisonfinale der Specialized Sram Enduro Series 2015 im Bikepark Leogang am vergangenen Wochenende kam also genau richtig, um meinem von einer harten Enduro-Saison gezeichneten Körper den Rest zu geben. Neben der Lebensmittelindustrie versucht auch noch der Herbst, das Saisonende baldmöglichst herbeizuführen. Ich weiß nicht, für wen oder was die ständig regnerischen und kalten Verhältnisse mehr Qual sind: Ist es das Material, welches vom Schlamm zermürbt wird? Ist es der Sportler, der mit dreckbedeckter Gänsehaut versucht, sein Sportgerät nach dem Training wieder auf Vordermann zu bringen? Oder ist es gar die heimische Waschmaschine, die sich mit den Überresten des Wochenendes rumärgern darf?
Vor lauter Angst vor dem langsam herankriechenden Winter drückt man beim Begutachten des Wetterberichts schon mal ein bis zwei Augen zu und riskiert lieber eine Erkältung, bevor man die letzten akzeptablen Tage auf dem Bike verschenkt. Getreu dem Motto: "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung!" machte ich mich mit extra dickem Koffer auf zu einem der letzten Rennwochenenden der Saison.
Gequält und gefoltert: Die Strecke in Saalbach schrie nach Ausbesserung.
Die Strecken in Leogang hatten sich zum Vorjahr nur geringfügig verändert. Stage eins weckte den Körper am Vormittag mit einer fiesen Tretpassage auf, bevor sie sich einem kurzen technischen Intermezzo auf frischem Waldboden hingab. Den restlichen Tag ging es dafür auf den Bikepark-Strecken von Saalbach und Leogang entweder bergab oder mit den zugehörigen Liftanlagen wieder nach oben. Der Antriebsstrang konnte sich also bereits nach Stage eins in die Winterpause verabschieden.
In Saalbach diente die X-Line am Schattberg dazu, den schnellsten Fahrer zu ermitteln. Unterteilt in zwei Stages zeigte die Strecke ihr wahres Ich. Das ganze Jahr über von tausenden Bremsmanövern gequält und gefoltert, schrie die Strecke vergebens nach einigen Ausbesserungsarbeiten. Bremswellen, offenliegende Wurzeln und freigebremste Steine machten aus der einst eher flowigen Strecke eine waschechte Downhill-Piste.
Durch viele kleine Northshore-Elemente versuchten die Parkbetreiber, der Strecke wieder eine Art Flow zurückzugeben und Bremswellen vorzubeugen, allerdings ohne Erfolg. Im Renntempo werden die Dinger nämlich ganz schön eng und bei Regen noch dazu sehr rutschig. Mehr Federweg wäre durchaus wünschenswert gewesen, um die dumpfen Schläge auf dem harten Untergrund abzufangen. Selbst die weichsten Reifen hatten sich schon auf die Saisonpause eingestellt und bauten bei Temperaturen um die acht Grad nicht mehr den vollen Grip auf.
Zwar kein Doping, aber so mancher Fahrer erschlich sichVorteile.
Die Linienwahl gestaltete sich eigentlich einfach. Dennoch war so mancher Fahrer sehr kreativ, als es um die Auslegung der Streckenführung ging. Nachdem ich recht spät gestartet war, sah ich einige Spuren, die scheinbar aus dem Nirvana auf die Strecke mündeten. Ich konnte mir jetzt auch erklären, wie die Zeiten von so manchem Konkurrenten zustande kommen konnten. Anscheinend wurde mal wieder etwas mit dem Flatterband gespart und im Kampf um die begehrten Podestplätze nutzten manche Fahrer jedes Schlupfloch aus.
In Leogang ließen uns die Veranstalter den Hangman 2 und den Bingo-Bongo-Trail, beides offizielle Parkstrecken, runterglühen. Auch hier war die Linienwahl kein Geheimnis. Einfach der Hauptlinie folgen, versuchen, die Bremse möglichst spät zu ziehen und Schwung aus den Anliegerkurven mitnehmen. Ich gab mein Bestes, was allerdings nur für Platz neun reichte – keine Platzierung, mit der ich zufrieden sein konnte.
Jedoch muss gesagt werden: Es herrschten nicht für alle dieselben Bedingungen. Etliche Fahrer trainierten die Strecken bereits am Donnerstag und Freitag, während sich andere (unter anderem ich) lediglich zu den offiziellen Trainingszeiten am Samstag auf die Strecke begaben. Der extreme Vorteil für all diejenigen, die das Wochenende bereits am Donnerstag einläuteten, war durch das Training am Samstag nicht mehr aufzuholen.

Axel Brunst Abkürzen und vor dem offiziellen Training die Strecke abfahren: Ludwig Döhl mag das nicht. Gegen das Wetter kann man aber bekanntlich nichts machen.
Mit zwei bis drei Abfahrten weniger pro Strecke – und wahrscheinlich der Hälfte der Trainingszeit anderer Athleten – gewinnst du keinen Blumentopf. Ich finde es nicht gut, dass hier absolut ungleiche Voraussetzungen für ein und denselben Wettkampf herrschten. Veranstalter und Sportler sollten sich über den Winter Gedanken machen, in welche Richtung es gehen soll und gemeinsam an Lösungen arbeiten. In der Gesamtwertung der Specialized Sram Enduro Series belegte ich Rang sechs. Mit Ausfällen in Willingen und Riva ist das eigentlich ganz okay.
Zum Rennausgang
Das Rennen der Männer gewann Downhill-Ikone Marcus Klausmann, der sich erstmals beim Enduro auf dem Podium zeigen konnte. Nach ihm folgten Michal Prokop und Markus Reiser. Der Tscheche Prokop holte sich zudem den Gesamtsieg der SSES 2015.
Bei den Frauen bildeten an diesem Wochenende Lisa Policzka vor Chiara Eberle und Raphaela Richter ein rein deutsches Podium. Der dritte Platz reichte Raphaela Richter nach konstanter Saison zum Gesamtsieg.