Etappe 4: Wellington – Wellington (73 km, 1800 hm)
Eine relativ kurze Etappe, die viele von uns bitter nötig haben. Nach der Infusion von gestern musste ich mich heute morgen vor dem Start zur Blutabnahme melden. Wenn man am Vortag am Tropf gehangen hat, geht ohne das OK der Ärzte beim Cape Epic gar nichts. Zum Glück gab’s für mich grünes Licht. Für zwei Biker, die mit mir auf ihre Blutergebnisse warteten, war die Nachricht nicht so erfreulich und die Tränen flossen.
Da hat man monatelang trainiert, die Familie sieht einen kaum und die finanzielle Investition (wenn man keinen Sponsor hat) ist auch nicht gerade wenig – aus der Traum vom Cape Epic. Und es zeigt, dass das Cape Epic ein wirklich hartes Rennen ist!
Die Ausfallquote in diesem Jahr liegt bereits bei 189 Teams. An den Start gingen offiziell 600 Teams. Die Partner dürfen alleine weiterfahren und bekommen ihre Medaille um den Hals gehängt, aber es ist nicht mehr dasselbe Rennen. Jeder beschäftigt sich mit sich selbst und seinem Teamkollegen, alle anderen sind in den Momenten des Leidens uninteressant. Als Solo-Teilnehmer bekommt man das schon mit, man ist unter so vielen Startern alleine unterwegs. Letztes Jahr musste meine Partnerin schon am zweiten Tag wegen schweren Asthmas aufgeben und ich war bis zum Ziel auf mich allein gestellt. Man hat keinen mehr, dem man sein Leid klagen kann.
Ein Kumpel von mir ist gestern, 5 Kilometer vor Ende, gestürzt und hat sich den Oberschenkel gebrochen. Heute sahen wir einen Biker am Boden liegen, der sich anscheinend das Bein gebrochen hatte. Kurz vor Schluss, haben wir einen weiteren Biker mit gebrochenem Schlüsselbein gesehen.

Privatfoto Fans an der Strecke und Anfeuerungsrufe lassen Höhenmeter leichter erscheinen.
Die Etappe fing wie immer schnell an. Der Arzt sagte mir, dass ich es ruhig angehen lassen sollte und nicht vergessen dürfte, viel zu trinken und zu essen. Meine Blutwerte waren gut, aber nicht optimal.
Es ging über Schotterstraßen von unserem "Race Village", im Zentrum von Wellington, Richtung Welvanpas-Trails. Über mehrere Kilometer ging es stetig bergauf. Hier war auch gleich der "King of the Mountain" für die Profis. Es ging richtig steil nach oben, aber dieses Mal nicht so lange und schieben musste ich auch nicht. Ein gutes Zeichen.
Vor hier ging es für ein paar kilometer über den "Cool Runnings"-Trail nach unten. Jede Abfahrt bedeutete eine Verschnaufpause und weitere Kilometer im Sack. Waterpoint 1 war erreicht und ich sah zu, dass ich meine Flasche füllte und ein paar Stücke Wassermelone und Rosinenbrot in mich reinschob.
Verhungern tut keiner während des Cape Epic. Es gibt diverse Riegel, saure Bonbons, Kartoffeln, Brot mit Marmite (sieht aus wie Rübensirup, schmeckt aber salzig), Mandarinen, Wassermelonen, Dattelkugeln und vieles mehr. Eine regelrechte Festtafel, alle 20 bis 30 km. Das braucht man auch. Bei vorherigen Cape Epic-Teilnahmen habe ich um die 25.000 Kalorien verbrannt und die muss man wieder auffüllen.
Nach dem Stopp ging es weiter auf die "Black Route" von Welvanpas, wo wir uns über 34 Serpentinenkurven (jede Kurve war nummeriert) bergauf mühten. Der Trail hieß "Aap de Huez". "Aap" heißt Affe auf Afrikaans. Oben angekommen ging es über einen schnellen, flowigen Singletrail wieder runter. Wir überquerten die Bain’s Kloof-Straße und es ging weiter schnell bergab Richtung Waterpoint 2. Hier lag der Biker, der sich das Bein gebrochen hatte.
Das Höhenprofil zeigte noch drei größere Anstiege vor dem Etappenende und der erste fing gleich hinter der Verpflegung an. Es war kein schwerer Anstieg und viel davon auf schönen, neuen Trails. Liam zog wie immer vorne weg und wir trafen uns nach der Abfahrt auf der anderen Seite wieder. Zusammen ging wieder über Schotterpisten, die uns um den "Groenberg" (Grüner Berg) leiteten, wo der nächste Anstieg wartete. Mittlerweile kam die Sonne hinter den Wolken zum Vorschein und plötzlich war es wieder heiß und weit und breit standen keine Bäume. Ich fühlte mich ganz gut, aber kurbelte lieber etwas langsamer als sonst die Anstiege hoch. Es ging nur noch ums Ankommen und nicht mehr um die Platzierung. Der Zug war schon am Montag abgefahren.
Noch einmal Flüssigkeit tanken und eine Kleinigkeit essen und dann ging es über den letzten Anstieg nach Hause. Die letzten 20 km waren echt schnell vorbei, was mich wunderte. Aber beschwert habe ich mich natürlich nicht.
Eine chilenische Mountainbikerin, deren Partnerin sich am Dienstag bei einem Sturz das Handgelenk gebrochen hatte, fuhr neben mir her und sagte nur: „Vamo,Vamo.“ Das konnten Liam und ich noch verstehen und gaben über die letzten 3 km im Flachland nochmal Gas. Sie konnte zwar nicht mithalten, aber ich war froh, dass ich es konnte. Der langsame Start in die Etappe hatte sich ausgezahlt und so werde ich es auch morgen machen.
In der "Recovery Zone" ging es mir auch viel besser als am Vortag. Heute gibt es mehr Zeit zum Erholen und das haben wir auch nötig. Morgen wird wieder heftig.
Bis morgen,
Robert
Cape Epic Blog: Hautnah am Renngeschehen