Beim Blick auf das Preisschild kann man auf zwei Arten reagieren. Erstens: losschimpfen und die üblichen “Alles wird teurer”-Flüche anstimmen. Zweitens: andächtig staunen, über den Rahmen streichen, vielleicht das teure Stück mal hochheben. Halt, da gibt es noch eine dritte Möglichkeit, doch die ist nur unwahrscheinlich: kaufen und Gas geben. Wir haben nicht bezahlt, sind aber trotzdem losgerast, und zwar unmittelbar nachdem die teure Fracht unser Testlabor verlassen hatte. Lange hatten wir warten müssen auf das fürs Frühjahr angekündigte neue Merida- Race-Bike. Solange hatten wir uns die Zeit mit Testfahrten auf dem Messe-Prototypen (“Project Beijing”) vertrieben. Unterdessen schwappte die Info in die Redaktion, dass Merida-Profi Ralph Näf auf dem Bike WM-Silber errungen hatte. “Ninety Six” heißt das Geschoss jetzt, was sich auf den hinteren Federweg in Millimetern bezieht. Alle Vorschusslorbeeren konnte das Bike in unserem Labor rechtfertigen. Vergleicht man die Messwerte mit der Konkurrenz (Test in BIKE 3/08), ergibt sich folgendes Bild: Das “Ninety Six Team” ist das leichteste jemals von uns getestete Serien-Fully (sogar in 20 Zoll). Das Fahrwerk (2.021 Gramm mit Dämpfer und Lockout- Hebel) rangiert auf Platz zwei im Gewichtsvergleich und an Position vier des STW-Rankings. Die Laufräder (3.099 Gramm komplett) sind konkurrenzlos leicht, die Manitou-Gabel ebenfalls (1.354 Gramm). Jetzt darf man sagen: Bei dem Preis hätte niemand etwas anderes erwartet. OK, akzeptiert. Wir freuen uns trotzdem, dass die Entwicklung nicht stehen bleibt. Merida hat die Herausforderung angenommen, genau analysiert und die Hausaufgaben gemacht.
Ab in den Sattel: Die Beschleunigung toppt alles bisher Dagewesene. Beflügelnde 9,8 Kilo, dazu die leichten Laufräder, man blockiert das Fahrwerk vom Lenker aus – und Feuer! Das Bike besitzt einen wendigen Cross-Country-Charakter, das bestätigen auch die Messwerte (kompakter Radstand, steile Winkel). Mit dem Luftdruck im Dämpfer muss man experimentieren, bevor man das Optimum trifft. Das Fahrwerk besitzt ein recht hohes Losbrechmoment und arbeitet nicht so sensibel wie einige Konkurrenten. Das “Ninety Six” hat nicht den großen Einsatzbereich eines Scott “Spark”, aber es erfüllt seinen Zweck so perfekt wie kein anderes.
FAZIT: Besser geht’s nicht: Meridas “Ninety Six” besitzt ausgezeichnete Laborwerte, fährt sensationell und erhebt berechtigten Anspruch auf den Titel: bestes (und teuerstes) Race-Fully der Welt.
Web:
www.merida.de
Fotos: Robert Niedring, Daniel Simon


Alles Kohle: Rahmen mit Dämpferwippe, Felgen, Lenker, Stütze, Kurbeln, Dämpfer und Bremshebel bestehen aus Carbon.

Laufrad-Juwel: Rund 2.500 Euro sollen die DT-Swiss-Carbon-Laufräder kosten, ein Baustein zum utopischen Verkaufspreis.
Test: Merida 96 Carbon Team
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