Der Horst Link hat ausgedient. Das Gelenk – knapp vor oder unter der Hinterradachse platziert – war bis vor wenigen Jahren Herzstück aller klassischen Viergelenker. Mittlerweile übernehmen an immer mehr Fullys flexende Carbon-Streben diese Aufgabe und entkoppeln die Federung von Brems- und Antriebseinflüssen. Zuerst sah man diesen Ansatz nur bei straff gefederten Racefullys wie dem Cannondale Scalpel oder dem Edict von Felt. Doch mittlerweile setzen auch langhubigere Bikes auf flexende Sitzstreben, wie etwa das Canyon Nerve CF oder das neue Decree von Felt mit 148 mm Federweg am Heck. Der Verzicht auf das Extragelenk spart Gewicht und macht sich offenbar auch in der Hinterbausteifigkeit bemerkbar – wie die Top-Version des Decree-Rahmens zeigt. Mit 2185 Gramm für den nackten Rahmen spielt das neue Touren-Fully der Amerikaner in der Champions League. Auch die gemessenen 79,4 Nm pro Grad Lenkkopfsteifigkeit sind für ein All Mountain überdurchschnittlich.
Der Carbon-Hinterbau und der voluminös geformte Tretlagerbereich bestätigen im kraftvollen Wiegetritt die Bestwerte aus dem Labor. Entsprechend direkt und präzise zirkelt das Decree über ruppiges, kurviges Geläuf. Vorsicht Stufe: kein Problem, denn dank der kurzen Kettenstreben (430 mm) reicht ein beherztes Ziehen am Lenker, um das Vorderrad anzulupfen. Auch bei höheren Geschwindigkeiten lässt sich das Felt-Fully nicht aus der Ruhe bringen. Ein 66,5 Grad flacher Lenkwinkel und das kurze, breite Cockpit garantieren viel Kontrolle. Wer sich mehr Agilität wünscht, kann über zwei "Flip Chips" in der Carbon-Wippe nachhelfen. Dreht man die Inserts, steilen sich Lenk- und Sitzwinkel auf (Lenkwinkel um ein Grad), und das Tretlager wandert um zehn Millimeter nach oben.

Test 2016: Felt Decree FRD
Ein Setup, das mehr Vortrieb im Uphill bringt und somit vor allem Touren-Fahrer auf langen Ausflügen glücklich machen wird. Der Umbau ist allerdings nichts fürs Mini-Tool am Gipfel, denn zum Umschrauben muss man den Dämpfer lösen, um den Hinterbau zu entlasten. Der steht nämlich im ausgefederten Zustand unter Spannung. Erst im Sag, also bei 30 Prozent des Federwegs, entspannt sich der Carbon-Hinterbau. Versinkt der Dämpfer weiter im Federweg, arbeiten die vorgespannten Sitzstreben in die entgegengesetzte Richtung. Hat man den Dämpfer ausgebaut, spürt man beim Einfedern, wie die Spannung erst ab- und dann wieder zunimmt. Aber warum diese Vorspannung? Sie soll dem Dämpfer helfen, schnell in die Sag-Position zurückzukehren und so Antriebseinflüsse zu eliminieren. Mit 30 Prozent Sag ist man auf dem Trail gut beraten, und die Rechnung der Felt-Entwickler scheint aufzugehen: Der Hinterbau bleibt beim Pedalieren sehr ruhig.
Auch unsere Effizienzmessung bescheinigt dem Decree Top-Werte. Den Griff zum Plattformhebel kann man sich also sparen. Der Vortrieb des 11,4-Kilo-Bikes ist berauschend, dazu tragen die Enve-Carbon-Felgen, die auf surrenden Chris-King-Naben gedreht werden, ihren Teil bei. Nur bei kleinen Schlägen reagiert die Hinterbaufederung nicht so feinfühlig wie die Pike-Gabel an der Front. Nutzbar ist der gesamte Federweg allerdings schon. Kein Grund also, dem fehlenden Gelenk hinterherzutrauern.
FAZIT: Auf Lift-Unterstützung kann das steife, effiziente Felt Decree gerne verzichten. Das federleichte All Mountain giert nach Höhenmetern und harten Touren-Kilometern. Ein abgemagerter Super-Tourer zur Vermögensanlage. Die günstigeren Modelle gleichen das Mehrgewicht mit Zweifach-Antrieben aus.
Die Alternative: Auch im Ferrari-roten Decree 3 für 3499 Euro steckt eine Pike-Gabel und der Monarch-Dämpfer mit Ausgleichsbehälter. Für den Rahmen verwendet Felt ein einfacheres Carbon-Layup. Mit 20-Gängen-Shimano-Deore/XT-Mix und Lev-Integra-Variostütze wiegt es 12,66 Kilo.

Rahmenmaterial: Das auffällige Karomuster kommt von den TeXtreme-Fasermatten, die Felt verwendet. Ein Quadratmeter des Geflechts aus unterschiedlich steifen und flexiblen Fasern wiegt nur 76 Gramm.

Geometrieverstellung: Dreht man die beiden Flip Chips um, wird der Lenkwinkel ein Grad steiler, das Tretlager um 10 mm angehoben. Die Folge: Das Felt Decree klettert noch besser, büßt aber an Laufruhe ein.

Umwerferaufnahme: Unser Test-Bike verzichtet auf einen Umwerfer. Beim Felt Decree 2 und 3 dagegen wird die Abdeckplatte gegen eine Aufnahme ausgetauscht. So kann man den Rahmen mit Umwerfer fahren.

Kabelführung beim Felt Decree: Egal ob Schaltzüge, Di2-Kabel oder Hydraulikleitung, die Gummi-Inserts werden an den Eingängen am Steuerrohr und am Ausgang geklemmt, damit im Rahmeninneren nichts klappern kann.

Test 2016: Felt Decree FRD

Der Hinterbau des Felt Decree hat weniger Federweg als die Gabel. Er arbeitet progressiver und weniger sensibel.
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Test: Felt Decree FRD
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