Adrian Kaether
· 20.12.2022
E-MTBs sind auch im Alltagseinsatz beliebt. Zwei Möglichkeiten gibt es: ein SUV-Bike mit Vollausstattung, oder ein klassisches E-MTB, ggf. mit entsprechenden Anbauteilen aus dem Zubehör umgerüstet. Welches Bike ist für Trails und Stadtverkehr die bessere Option? Wir haben es getestet.
Unsere Leserumfrage 2022 ergab: Fast 30 Prozent der EMTB-Leser nutzen ihr Bike auch im Alltag. Insgesamt dürfte die Zahl der Alltagsnutzer von E-MTBs noch deutlich höher ausfallen. Von fast 2 Millionen E-Bikes, die allein in Deutschland 2021 verkauft wurden waren über ein Drittel E-MTBs. Kein Wunder: Optik, Komfort und Handling überzeugen viele Nutzer, auch wenn nur ein Bruchteil davon regelmäßig im Gelände unterwegs sein dürfte.
Die Hersteller reagieren und zeigen immer mehr SUV-Bikes, die optimal für den Crossover-Einsatz zwischen Trail und Stadtverkehr gerüstet sein sollen. Wir wollten wissen: Beschränkt der Kompromiss aus Trail und Alltag die Geländegängigkeit? Und ist ein konventionelles E-MTB, aufgerüstet mit speziellen Parts für den Alltagseinsatz, vielleicht die bessere und flexiblere Option?
Zwei Bikes fordern wir für ein Test-Duell an. Centurions Numinis EQ ist ab Werk bereits mit massivem Gepäckträger, Licht und Schutzblechen ausgestattet, besticht andererseits aber mit grobstolligen Maxxis-Reifen, Vollfederung mit guten Fahrwerkskomponenten von Fox und Mountainbike-Geometrie. Da gibt’s auf dem Papier wenig zu meckern.
Das Focus Thron² springt im Vergleich als klassisches E-Mountainbike ein. Es bietet ähnlich viel Federweg wie das Centurion, hat dieselbe Laufradgröße und den selben Motor und Akku. Wie beim Centurion sollte die Geometrie auch Anfängern und Tourenfahrern gut passen . Beispielhaft soll das Focus zeigen, wie man ein E-MTB auch für den Alltagseinsatz aufrüsten kann.
Wer möchte, kann übrigens auch das Focus ab Werk schon als fertiges SUV ordern. Das Focus Thron² EQP kommt allerdings mit schwächeren Reifen und zahmerem Fahrwerk als Centurions EQ-Modell.
Für mehr Wetterschutz verbauen wir beim Focus Thron² die Testsieger-Schutzbleche aus dem letzten BIKE-Test von Crud und den stabilsten Nachrüst-Gepäckträger für Fullys, den die Kollegen von unserem touren-orientierten Schwestermagazin MYBIKE je in der Hand hatten. Den Tour Rack von Thule. Bei der Lichtanlage setzen wir auf das System von Monkey-Link, das die Leuchten direkt aus dem E-Bike-Akku mit Strom versorgt. Der Vorteil: Nur die Halterung fürs Licht bleibt fest am Bike, das Licht selbst kann man für den Geländeeinsatz abnehmen und damit Schäden vorbeugen.
Alle Aufrüst-Parts zusammen kosten etwa 400 Euro, je nach verwendeter Lichtanlage. Wer etwas Schrauber-Erfahrung hat, verbaut die Zusatz-Parts in etwa eineinhalb Stunden, das Gewicht des Bikes steigt dadurch um etwa 1,5 Kilogramm. Den Lichtport des Motors zum Bestromen der Frontleuchte kann man selbst nicht freischalten, da muss die Werkstatt ran. Der Mechaniker braucht dafür je nach Bike bis zu einer Stunde und berechnet dafür im Mittel 50 bis 60 Euro.
Im Stadtbetrieb wird schnell klar, dass das massive Centurion-SUV in vielen Punkten die Nase vorn hat. Gerade beim Thema Gepäcktransport. Dabei ist der adaptive Gepäckträger an unserem Focus-E-MTB unter den fully-tauglichen Modellen noch der steifste und belastbarste. Bei mehr als drei Kilo pro Seite verwindet er sich aber spürbar.
Mit vielen kleinen und empfindlichen Schrauben ist er außerdem nicht auf regelmäßiges Ummontieren ausgelegt. Dass er sich - wie übrigens kein Fully-tauglicher Gepäckträger bislang - nicht mit einem Schutzblech hinten kombinieren lässt, dürfte für viele Pendler ein K.O.-Kriterium sein. Die Alternative: Das Gepäck in einen Rucksack packen und statt des Gepäckträgers ein Schutzblech montieren. Oder: das Bike mit Spezialteilen vom Hersteller zum permanenten SUV aufrüsten. Focus beispielsweise bietet solche Teile auch für unser Test-Bike an – damit verschenkt man aber einen gewissen Flexibilitätsvorteil: Denn sind die Herstelleranbauteile erst einmal angebracht, wird man sie für eine spontane Bike-Tour kaum wieder demontieren. Bei den Teilen, die wir ausgewählt haben, geht das deutlich schneller.
Im Trail-Einsatz wendet sich das Blatt: Das E-MTB mit Anbauteilen ist dem SUV-Bike tendenziell überlegen. Allerdings ist das Focus Thron² hier nur ein Beispiel und kann sich im Direktvergleich noch kaum vom Centurion-SUV absetzen. Der Grund: Das Focus Thron² ist mit vergleichbarer Geometrie und ähnlichem Federweg wie das Centurion für ein E-MTB noch recht zahm. Das Centurion hingegen ist schon das aggressivste SUV-Bike, das wir finden konnten. Rüstet man ein E-Enduro zum Alltagsbike auf, oder greift man zu einem der vielen SUV-Bikes mit Straßenreifen und kurzem Federweg dürfte der unterschied noch wesentlich drastischer aufallen.
Die Geländegängigkeit hängt also maßgeblich vom ausgewählten Modell ab, und die Auswahlmöglichkeiten sind im zumindest beim E-MTB Prinzip grenzenlos. Wer will, kann auch ein E-Enduro mit Anbauteilen für den Alltag aufrüsten. Beim SUV-Bike ist die Modellauswahl dagegen eingeschränkt. Hier ist meist bei rund 140 Millimetern Federweg Schluss, und die Geometrien fallen deutlich touren-orientiert aus.
Das Centurion-SUV muss sich aber mit gutem Fox-Fahrwerk, flachem Lenkwinkel und griffigen Maxxis-Reifen auf dem Trail nicht verstecken. Positiv gegenüber dem Focus fällt auf: Die Schutzbleche sind etwas steifer und klappern etwas weniger. Aber Vorsicht: Das Centurion Numinis fällt für ein SUV-Bike sehr sportlich aus und ist damit nicht repräsentativ für diese Gattung. Viele SUV-Fullys kommen mit zahmen Reifenprofilen, schwachen Fahrwerken und Trekking-Geometrien. Im Gelände wird damit kaum echtes Mountainbike-Feeling aufkommen.
>> 5 SUV-E-Bikes mit EMTB-Empfehlung: Welche Modelle am Markt auch im Gelände Potential haben, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst. <<
Es ist wie immer bei einem Kompromiss. Das Touren-E-MTB bleibt für den Alltagseinsatz aufgerüstet hinter dem Gelände-Potential anderer E-MTBs zurück. Auch im Stadtverkehr kann es nicht voll überzeugen. Das Centurion SUV hat uns dagegen mit echten Nehmerqualitäten überrascht, ist aber auch eins der geländegängigsten SUVs am Markt. Mit knappem Federweg und moderater Geometrie ist es in schwerem Gelände trotzdem überfordert. Mein Rat: Wer ein Bike für Alltag und Trailtouren sucht, sollte sich klar machen, welcher Einsatz überwiegt. Müssen auch mal Packtaschen dran und fährt das Bike höchstens die Hälfte der Zeit im Gelände, ist ein SUV-Bike mit Alltagsausstattung ab Werk die bessere Wahl. Wer es im Gelände krachen lassen will, sollte lieber ein klassisches E-MTB der All-Mountain- oder Enduro-Kategorie kaufen. Nachrüst-Schutzbleche sind dann eben nicht ganz ideal und das Gepäck muss in einen Rucksack. Dafür leidet der Geländeeinsatz nicht.