Josh Welz
· 17.09.2020
Mit dem Ransom eRide erweitert Scott seine E-MTB-Palette in höhere Federwegs-Regionen. Das 180-mm-Enduro kommt mit Bosch-Gen4-Antrieb und schnörkelloser Optik. Wir hatten das Modell eRide 910 im Test.
Etwas verwunderlich war es schon, dass Scott im Long-Travel-Bereich bislang nichts zu bieten hatte. Schließlich ist das Enduro-Segment seit jeher ein Erfolgsgarant im Portfolio des Schweizer Multisport-Konzerns. 2006 kam das erste Ransom auf den Markt und sorgte für mächtig Wirbel in der Bike-Szene: Denn die 160 Millimeter Federweg waren überraschend gut zu pedalieren. Die Charakteristik setzte sich auch über die folgenden Modellgenerationen fort – und so fand das Ransom über die Jahre seine Fangemeinschaft sowohl in der Gravity- als auch in der Touren-Fraktion.
Nur konsequent also, dass die Eidgenossen diese Erfolgsgeschichte nun auch im prosperierenden E-Segment fortschreiben wollen. Und ganz offenkundig haben die Produktentwickler dem eRide ähnliche Charakterzüge angezüchtet wie seinen unmotorisierten Vorgängern. In unserem Praxistest (
EMTB 05/20
, ab 13. Oktober am Kiosk) konnte das Ransom nämlich nicht nur als Bergab-Spaßmaschine mit üppigen Federwegsreserven, sondern auch als talentierter Kletterer punkten.
Der Ransom-Pilot kann zwischen zwei Geometrie-Einstellungen wählen. Möglich macht das ein Flip Chip an der Dämpferaufhängung. Wir sind das Bike in der tiefen Einstellung gefahren. In der hohen werden der Lenk- und der Sitzwinkel um etwa ein halbes Grad steiler. Mit 77 Grad ist eben der aber auch in der flachen Einstellung sehr steil – steiler als an Scotts All Mountain Genius eRide. Zudem ist die Front des Ransom recht hoch (Stack: 650 mm). Das zusammen sorgt dafür, dass man zentral und aufrecht auf dem Bike Platz nimmt.
Mit 464 Millimetern hat das Scott-Enduro zudem recht lange Kettenstreben. Kein Wunder also, dass das Bike im Praxistest auch steilste Anstiege souverän erklomm. Angenehmer Nebeneffekt des Flip Chip: Wer will, der kann das Ransom auch mit 27,5er anstelle des 29-Zoll-Hinterrades fahren – in der steilen Version werden Tretlagerhöhe, Lenk- und Sitzwinkel dann wieder ausgeglichen.
24,3 Kilo zeigte unsere Waage beim Ransom an – für ein Bike dieser Kategorie ein ordentliches Gewicht. Und das haben sich die Schweizer nicht zusammengeschummelt: Mit den massiven Standrohren der 38er-Fox (eRide 910) muss man bergab kein Terrain fürchten, und für lange Touren wird der kernige Bosch-Antrieb vom 625 Wattstunden dicken Powertube-Akku gespeist. Nur bei der Reifenwahl hat man den Grammzähler im Blick gehabt: Die Exo+ Kakasse beim Maxxis Assegai und Sektor ist leichter als die Double Down Karkasse – aber eben auch pannenanfälliger.
Gemessen am Preis (Scott Ransom eRide 910: 6999 Euro) ist die Ausstattung zwar nicht glamourös, aber angemessen. Das Fahrwerk ist top: In der Fox-Forke dämpft die Grip2-Kartusche, das schluckfreudige Heck wird vom Fox Float X2 ruhig gestellt. Dazu gibt es Shimanos XT-Bremsanlage (leider nicht mit 220er-Scheiben), eine Fox Transfer Telestütze mit 175 mm Hub (Rahmengröße L) und eine Sram X01 Eagle-Schaltwerk, allerdings mit einem Spar-Shifter aus der NX-Serie.
Auffällig: Scott verzichtet beim Ransom auf das TwinLock-System. Um es vorweg zu nehmen: Wir haben das Feature, mit dem sich an anderen Scott-Fullys per Lenker-Fernbedienung drei Fahrwerks-Modi einstellen lassen, am Ransom nicht vermisst – der Hinterbau steht auch ohne zugeschaltete Plattform gut im Hub. Angenehmer Nebeneffekt: Allein dadurch hält sich der Kabelsalat in Grenzen. Was übrig bleibt, haben die Ingenieure schick ins und ans Bike verlegt.
Mit dem Ransom eRide feiert Scott eine erfolgreiche Premiere im Long-Travel-Segment. Das schnörkellose Bike bietet üppige Reserven für grobe Downhill-Strecken, dürfte mit seinen Allround-Talenten aber auch anspruchsvolle Tourenbiker begeistern. Ein echtes Ransom eben. Den ausführlichen Testbericht mit Fahreindrücken und Labordaten gibt´s in
EMTB 05/20
– ab 13. Oktober erhältlich!