Ludwig Döhl
· 28.09.2021
Das Rocky Mountain Element wird 2022 mit neuer Federgabel trail-lastiger denn je. Ist der Vorreiter des Down-Country-Trends so noch fit genug für den Marathon?
Bevor wir in die technischen Details zum neuen Rocky Mountain Element eintauchen, drehen wir kurz die Zeit zurück. Auf den Eurobike Media Days 2016 in Kirchberg präsentierte Rocky Mountain sein letztes Element und löste damit eine wahre Lawine aus. Denn die Kanadier waren damals Vorreiter eines Trends, der sich mittlerweile unter dem Namen "Down Country" in den Produktkatalogen der Hersteller etabliert hat.
Ein klassisches Marathon-Bike wie das Element mit einer Federgabel mit 120 Millimetern Federweg und Teleskopstütze auszuliefern, war so revolutionär, dass sich die klassische Marathon-Kundschaft fast vor den Kopf gestoßen fühlte. Vom Stilbruch und Übergewicht war damals die Rede, obwohl Rocky Mountain damals auch noch ein konventionelles Marathon-Element mit 100 Millimetern Federweg und starrer Stütze im Programm hatte.
Während Rennfahrer und Journalisten teilweise hitzig mit den zuständigen Produktmanagern diskutierten, entschied der Markt selbst über den Erfolg des neuen Down-Country-Konzepts. Die aufgeborten Marathon-Bikes schlugen ein wie die sprichwörtliche Bombe. Cannondale, Specialized, Cube, eigentlich jeder namhafte Hersteller zog binnen Jahresfrist mit einem entsprechendem Modell nach.
Im August 2021 gewann Nino Schurter die Cross-Country-Weltmeisterschaft auf dem Spark RC, einem Bike mit 120 Millimeter Federweg, Teleskopstütze und 2,4er Reifen. Und bestätigte damit, was wir beim Federgabel-Test in BIKE 4/21 schon vermuteten: Die Ära der klassischen 100-Millimeter-Racefullys ist endgültig vorüber! Und was kommt jetzt?
Und auch das neue Rocky Mountain Element kommt 2022 als möglicher Trendsetter in den Markt. Eine klassische 100-mm-Version des Ur-Marathon-Bikes gibt es ab 2022 gar nicht mehr. Und anstelle der im Down-Country-Konzept üblichen 120er-Federgabeln steckt im Steuerrohr des neuen Elements jetzt eine Fox 34 (keine Stepcast!) – und die hat 130 Millimeter Federweg.
Das ist gar nicht mal übertrieben, sondern wirkt eher wie eine logische Konsequenz der aktuellen Entwicklung. Denn wenn CC-Racer mit 120er-Gabeln Worldcups gewinnen, müssen die Down-Country-Bikes, um im Singletrail überlegen zu bleiben, ja eine Schippe drauf legen.
Die Geometrie des 2022er-Element erfährt einen ebenso radikalen Umbruch. War das Element zuletzt für sein verspieltes Handling bekannt, schlägt der Nachfolger in eine ganz andere Kerbe. Ein 65,5 Grad flacher Lenkwinkel, ein Reach von 480 Millimeter in Größe L und ein Radstand von 1231 Millimetern (ebenfalls in Größe L) sollten ein laufruhiges Fahrgefühl mit viel Sicherheit bei hohem Tempo vermitteln.
Aus dem einstigen Racefully wird also ein moderner Trail-Flitzer, der im Modelljahr 2022 nicht nur das alte Element beerben soll, sondern auch das Rocky Mountain Thunderbolt vollkommen ersetzen muss. Es wird 2022 kein Thunderbolt – und damit kaum mehr ein Trailbike mit 27,5-Zoll-Laufrädern – mehr geben. Denn das Element wird nur in der Rahmengröße XS noch auf den kleinen Laufrädern rollen. Ansonsten werden standesgemäße 29-Zöller verbaut.
Bei einem genauen Blick auf die Geometrie dürften Marathon-Biker und CC-Racer mit einem Gedanken spielen. Bei einem derart flachen Lenkwinkel lässt sich auch eine 120er-Gabel problemlos verbauen, um Gewicht zu sparen. Tuning könnte jetzt also zum ersten Mal auch in Form von Downsizing passieren.
Der Rahmen in Größe L bringt laut Fotobeweis vom Hersteller 2400 Gramm inklusive Dämpfer auf die Waage. Kein rekordverdächtiger Wert, aber immerhin einer, der sich sehen lassen kann. Das abgebildete Komplett-Bike kommt bei einem stolzen Preis von 9700 Euro auf 10,9 Kilo (ohne Pedale) und verspricht so einen leichtfüßigen Antritt.
Möglich werden die guten Gewichte durch eine filigrane Formsprache und die Entschlackung der Technik. So wird aus dem alten Ride-9-System zur Federwegs- und Geometrieverstellung ein Ride-4-System mit vier unterschiedlichen Anpassungsmöglichkeiten. Die einteiligen Sitzstreben und die doppelte Abstützung der Lager am Horst-Link sollen trotz niedrigem Gewicht für eine gute Steifigkeit sorgen.
Die beiden Flaschenhalter platziert Rocky in einer Reihe am Unterrohr – wie zuletzt auch Cube beim AMS. Zwei Flaschen lassen sich so übereinander montieren. Die Option auf eine stehende Flaschenposition am Sitzrohr gibt es nicht. Ab Dezember 2021 sollen die ersten Modelle im Handel erhältlich sein. Uns wurde allerdings schon früher ein fahrbares Modell des neuen Trendsetters für einen ersten Test versprochen.
Alle Geometrieangaben basieren auf der neutralen Position des Ride-4-Systems.
Leider gibt es noch keine Bilder zu allen neuen Element-Modellen, aber es wird neben den drei Carbon-Bikes auch zwei Element-Modelle mit Aluminium-Rahmen geben. Außerdem kann man das Carbon-Rahmenset für 3500 Euro kaufen. Den Aluminium-Rahmen gibt es nicht einzeln, sondern nur als Komplett-Bike.
Für 9700 Euro wechselt dieses Rocky Mountain-Bike den Besitzer. Das Fox-Factory-Fahrwerk und die Carbon-Felgen (von Race Face, aber mit Rocky-Mountain-Label) mit 26 Millimetern Maulweite gehören bei dem Preis zum guten Ton. Auch die komplette Shimano XTR-Ausstattung kann sich sehen lassen. 10,9 Kilogramm ohne Pedale bringt das 29-Zoll-Bike so auf die Waage.
Für 3000 Euro weniger als das Topmodell liefert Rocky Mountain immerhin noch eine komplette 1x12-Shimano-XT-Schaltung und hochwertige Aluminium-Felgen von WTB. Beim Fox-Performance-Elite-Fahrwerk muss man auf die Kashima-Beschichtung verzichten.
Das günstigste Carbon-Modell kommt ebenfalls mit einer kompletten Shimano-XT-Schaltung und -Bremsanlage. Allerdings gibt es hier nur ein Fox-Performance-Fahrwerk.
Die Aluminium-Version ist für 4200 Euro mit einem Shimano-XT/SLX-Schaltungsmix ausgestattet. Die Shimano-SLX-Bremsen haben wie bei den höherpreisigen Modellen nur zwei Bremskolben, um Gewicht zu sparen. Auch hier kommen hochwertige Aluminium-Felgen von WTB zum Einsatz.