Peter Nilges
· 18.12.2020
Viele sportliche Touren-Bikes basieren auf einem Racefully. Der Vortrieb scheint eingebaut. Doch haben die Modelle bis 4100 Euro das Zeug zum Gipfelstürmer?
Das Revier sei super für Hardtails und Fullys mit wenig Federweg geeignet, höre ich die Dame des Tourismusverbandes noch schwärmen, während mein Bremsfinger schon anfängt zu krampfen. Die 160er-Bremsscheiben an meinem Test-Bike sind nicht gerade die erste Wahl für Trails mit über 1000 Tiefenmetern am Stück. Auch Tobi kämpft mit dem Grip am Vorderrad, um das Heck in einer der steilen Spitzkehren hier in Grindelwald zu versetzen. Auf der Suche nach einem geeigneten Testrevier für unsere kurzhubigen Trailbikes wurde uns die Region um das Schweizer Gletscherdorf nämlich wärmstens empfohlen. Und in der Tat: Das Panorama des 4000 Meter hohen Dreigestirns aus Eiger, Mönch und Jungfrau ist absolut überwältigend. Steilste Wege bergauf in dünner Luft und ebenso steile wie knackige Trails bergab. Ideal also, um unseren sieben Gipfelstürmern auf den Zahn zu fühlen.
In der 2020er Juli-Ausgabe der BIKE durften wir bereits die hochpreisigen Sport-Tourer, auf Neudeutsch Down-Country-Bikes, auf dem Fernwanderweg Nurtschweg testen. Auch wenn die wenigsten mit dem aus Downhill und Cross Country zusammengesetzten Begriff etwas anfangen können, scheint sich die Wortschöpfung wohl aus Mangel an Alternativen in der Industrie zu etablieren. Zur Wiederholung: Bei dieser Bike-Gattung handelt es sich um Racefullys, die durch eine längere Federgabel, breitere Reifen, ein breiteres Cockpit und selbstverständlich eine Teleskopstütze mehr Abfahrtspotenzial eingehaucht bekommen.
Die erste Überraschung beim Durchforsten der aktuellen Modellpaletten: Man findet gar nicht so viele Bikes mit 120er-Gabel und 100 bis 120 Millimetern am Hinterbau, wie man vermutet. Vor allem mit der Einschränkung unter 4000 Euro, weil die meisten Modelle auf den teuren Carbon-Rahmen der Racefullys basieren. So beginnen die Preise beim neuen BMC Fourstroke LT erst bei 6000 Euro und beim Mondraker F-Podium DC bei 4800 Euro. Als Referenz ließen wir die beiden teureren Bikes dennoch im Test mitlaufen. Die zweite Erschwernis: Da der Markt aktuell komplett ausgeräubert ist, mussten wir den Test aus mangelnder Verfügbarkeit der Testräder sogar einen Monat nach hinten schieben.
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