Neues E-MTBCannondale integriert Bosch

Josh Welz

 · 29.06.2016

Neues E-MTB: Cannondale integriert BoschFoto: Ale Di Lullo
Neues E-MTB: Cannondale integriert Bosch

Cannondale hat sich bislang im E-MTB-Markt dezent zurückgehalten. Nun wollen die Amis mit zwei Fullys das Feld von hinten aufrollen. Der Schlüssel: eine smarte Integration des Bosch-Motors.

In Bethel hat man sich mit dem E-Mountainbike-Thema Zeit gelassen – außer dem Hardtail Tramount hatte man bislang nichts anzubieten. Umso gründlicher konnten die Amerikaner den Markt studieren. Die Erkenntnisse: Bosch liefert den stärksten Motor, aber Brose bietet die besten Integrationsmöglichkeiten. Entscheidende Frage: Lässt sich beides vereinen? Mit ihren Fullys Moterra und Moterra LT bietet Cannondale dazu nun eine interessante Antwort.

  Das neue Cannondale Moterra: das erste E-MTB-Fully der Amerikaner.Foto: Markus Greber
Das neue Cannondale Moterra: das erste E-MTB-Fully der Amerikaner.

Die Ziele hatten sich die Amerikaner hoch gesteckt: „kurze Kettenstreben, tiefer Schwerpunkt und eine Flaschenhalter-Position“ hatte Produktmanager Marcel Geurts den Ingenieuren ins Pflichtenheft geschrieben. Die besondere Herausforderung: Die Cannondale-Fullys sollten unbedingt mit dem Bosch-Motor befeuert werden. Bislang bot der schwäbische Antrieb nicht allzu viele Integrations-Möglichkeiten – kompakte Geometrien mit kurzen MTB-charakteristischen Kettenstreben und ein tiefer Schwerpunkt waren eher ein Markenzeichen der Brose-Bikes. Der Kunstgriff beim Moterra: Die Batterie wurde nicht – wie bei anderen E-Mountainbikes üblich – auf der Rückseite des Unterrohrs platziert, sondern auf der Vorderseite. Dadurch konnte man Motor und Schwingendrehpunkt weiter hinten und den Schwerpunkt tief platzieren. Damit die Batterie nicht zu weit Richtung Vorderrad drängt, erhielt das dünne Hydroform-Unterrohr einen ausgeprägten Knick. Für die nötige Stabilität und Steifigkeit wurde die Konstruktion mit einem massiven Gusset verstärkt. Um den Bauraum weiter zu reduzieren, legten die Ingenieure sogar Hand am Motorgehäuse an: Die originale Bosch-Montageplatte und die Kunstoffabdeckung für die Kabel wurden entrümpelt. Stattdessen hält eine Cannondale-Eigenkonstruktion den Motor am Rahmen und die Elektrik in Schach: der „SI-Motormount“. Um die exponierte Batterie vor Steinschlag zu schützen, wird ein dicker Gummi-Saum um das Batterie-Case gelegt.

  Die Integration des Bosch-Antriebs stand beim Moterra für die Cannondale-Entwickler an erster Stelle.Foto: Markus Greber
Die Integration des Bosch-Antriebs stand beim Moterra für die Cannondale-Entwickler an erster Stelle.
  Im Moterra steckt eine Gabel mit 130 Millimetern Federweg, dem Moterra LT spendiert Cannondale 160 Millimeter.Foto: Markus Greber
Im Moterra steckt eine Gabel mit 130 Millimetern Federweg, dem Moterra LT spendiert Cannondale 160 Millimeter.

Statt auf den Boost-Standard zu setzen, führen die Amerikaner eine noch breitere 157-Milimeter-Achse durch die Hinterrad-Nabe. Für eine optimale Kettenlinie wurde das Ai-Kettenblatt entwickelt, das 6 Millimeter weiter außen liegt.

Unterm Strich wirkt die Konstruktion des abgestützten Eingelenkers sehr kompakt, aber auch massiv. 23,4 Kilo bringt das LT mit 160 Millimetern Federweg auf die Wage, 22,3 das All-Mountain-Modell mit 130 Millimeter Federweg. Drei Modellausführungen stehen vom All Mountain in den Startlöchern, zwei vom Moterra LT. Für die Top-Version Moterra LT 1 wird der Kunde 5999 Euro investieren müssen.

  Kurze Kettenstreben und eine massive 157-Millimeter-Hinterradachse: das E-Fully Moterra geht eigene Wege bei Einbaustandards und Motor-Integration.Foto: Markus Greber
Kurze Kettenstreben und eine massive 157-Millimeter-Hinterradachse: das E-Fully Moterra geht eigene Wege bei Einbaustandards und Motor-Integration.

Interview Marcel Geurts, Produktmanager E-Bikes

  Marcel Geurts, PM Cannondale E-BikesFoto: Philipp Martin
Marcel Geurts, PM Cannondale E-Bikes


BIKE: Ihr habt Euch Zeit gelassen, den Markt zu studieren. Was waren die Zielvorgaben für Eure Ingenieure?

Marcel Geurts: Großen Wert haben wir auf das Handling gelegt. Klar war aber auch, dass wir den stärksten Motor wollen: den Bosch Performance CX. Die entscheidende Frage war also, wie wir den Motor ideal integrieren können, um einen tiefen Schwerpunkt, kurze Kettenstreben und einen idealen Schwingendrehpunkt zu erreichen. Mit 443 Millimeter beim LT haben wir nun die kürzesten Kettenstreben am Markt, und mit 127 Millimeter über der Tretlagerachse einen sehr niedrigen Schwerpunkt.


Ihr habt dafür auch Hand am Bosch-Motor angelegt.

Ja, wir haben uns den Bosch CX und die Anbauteile genau angeschaut und festgestellt, dass er bezüglich des Bauraumes noch Reserven hat. Also haben wir die Kunststoff-Abdeckung für die Kabel und die Montageplatte des Motors modifiziert und daraus ein einzelnes Teil gemacht: die Si-Motorhalterung. Damit haben wir uns die nötigen Millimeter Platz verschafft, um den Drehpunkt ideal platzieren zu können – näher Richtung Tretlager.


Die Konstruktion wirkt optisch sehr massiv. Mit 23,4 Kilo gehört das Moterra LT nicht zu den Leichtgewichten.

Wir haben aufs Kilo geschaut, aber nicht auf jedes Gramm. Wichtig war uns vor allem die intelligente Integration des Bosch-Antriebes im Sinne einer kompakten Geometrie. Das Hydroform-Unterrohr haben wir mit einem kaltgeschmiedeten Gusset verstärkt, das sich auch um die Batterie herumlegt – ein tragendes Teil, das dem Gesamtrahmen eine sehr hohe Stabilität und Steifigkeit gibt.

Erster Fahrtest: Cannondale Moterra LT 1

Im ersten Fahrtest erwies sich das Moterra LT als äußerst agil: Durch den tiefen Schwerpunkt lässt sich das Bike in engen Kurvenwechseln schnell umlegen, die kurzen Kettenstreben helfen in winkligen, technischen Singletrails. Für steile Uphills gibt es sicher bessere Spezialisten, trotzdem klettert das LT passabel. Der Bosch Performance CX liefert reichlich Power. Damit sich das Bike in sehr steilen Passagen nicht aufbäumt, muss man die Kraft dosiert einsetzen und viel Druck aufs Vorderrad bringen. Der Vorbau ist zwar kurz, das Cockpit aber angenehm tief – das hilft.

  Kompakte Geometrie: Kurze Kettenstreben, tiefer Schwerpunkt – in engen Kurvenfolgen lässt sich das Moterra LT schnell umlegen. Die Downhill-Reifen-Kombi und das satte Fox-Fahrwerk geben bergab Sicherheit. Foto: Ale Di Lullo
Kompakte Geometrie: Kurze Kettenstreben, tiefer Schwerpunkt – in engen Kurvenfolgen lässt sich das Moterra LT schnell umlegen. Die Downhill-Reifen-Kombi und das satte Fox-Fahrwerk geben bergab Sicherheit. 

Im Bergab-Modus wirkt das Chassis sehr steif, der mit 66 Grad recht flache Lenkwinkel und die Fox 36 liefern in ruppigen Passagen die nötigen Reserven. Die Kette wird von einer integrierten Kettenführung auf dem Blatt gehalten, und die Downhill-Reifenkombination ist über jeden Zweifel erhaben: vorne Schwalbe Muddy Marry, hinten Hans Dampf.

  Mit dem Bosch Performance CX verfügt das Moterra über einen kraftvollen Antrieb. Das Cockpit fällt angenehm tief aus, trotzdem ist in steilen Uphills Feingefühl gefragt, damit die Front nicht steigt.Foto: Ale Di Lullo
Mit dem Bosch Performance CX verfügt das Moterra über einen kraftvollen Antrieb. Das Cockpit fällt angenehm tief aus, trotzdem ist in steilen Uphills Feingefühl gefragt, damit die Front nicht steigt.