BIKE Magazin
· 02.09.2017
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Die Idee: Dank E-MTB können auch Kinder mit auf Tour und mal ein paar Höhenmeter selbst treten. Geht das gut? Und was taugen die Kinder-E-Bikes? Ein Feldversuch in Tirol bringt Klarheit.
Steffen, Mimi und ich sitzen auf der wunderbaren Aussichtsterrasse des 2064 Meter hoch gelegenen Gschnitzer Tribulaunhauses am Talschluss des Sandestales, einem malerischen Seitental des Tiroler Gschnitztales. Die Tribulaune, vier wunderschöne Gipfel der Stubaier Alpen, dominieren die Szenerie um die legendäre Naturfreunde-Hütte: Grate, Schrofen und Pfeiler zacken in den Himmel, umsäumt von der Blumenpracht der umliegenden Wiesenmatten – die Almrosen stehen in voller Blüte.
Die Biker-freundlichen Hüttenwirte, das tolle Essen und die legendären Bike&Hike-Touren im Umkreis haben das Tribulaunhaus zu einem beliebten Ziel der Innsbrucker Singletrail-Szene gemacht. Ein kraftvoller Ort, wo man gerne ist und die Seele baumeln lassen kann.
Auf dem geräumigen Platz vor der Hütte stehen eine Kinderschaukel und ein gut gepflegter Pinzgauer Allrad. Uroma Pranger gschaftelt herum, und Opa Josef belädt die Schubkarre mit Brennholz. Darum herum geht die Post ab: Zoe, Nino, Max und die Kinder von Hüttenwirtin Verena improvisieren ihren eigenen Bike-Parcours. Rauf, rüber, einen kleinen Abhang hinunter, hinauf, retour, mit viel Gelächter, sie sind nicht zu bremsen. "Die Energie der Kids hätte ich ab und zu auch gerne", grinst Steffen. Mimi rollt mit den Augen: "Hauptsache, Energie abbauen!"
Wir sind immer noch baff, dass die Kinder und wir hier gemeinsam die faszinierende Bergwelt der Tribulaune genießen, und das ganz ohne Lift, Shuttle oder Hänger. Ein tolles Erlebnis! Dank E-Motor-Unterstützung freilich, sonst wäre die Tour nicht möglich gewesen. Knappe 780 hm und zwölf Kilometer sind ab Gschnitz auf der gut gewarteten Forststraße bis zur Hütte zu absolvieren. Ohne E-Unterstützung würden das die Kids nie und nimmer schaffen. Zwischendurch lädt der kristallklare Sandesbach ein, die Füße ins Wasser zu hängen – perfekt für kurze Pausen. Die sind wichtig, um das eine oder andere Spiel einzustreuen, oder einfach um die Natur zu genießen. Die Kinder sind sofort im Flow. Man merkt den wunderbaren Einfluss dieser schönen Bergwelt.
Fahrtechnisch sind alle unsere kleinen Begleiter gut drauf: Nino und Zoe fahren mit Papa Steffen regelmäßig im Bikepark Serfaus-Fiss-Ladis, oder gehen gemeinsam auf kleinere Touren. Max ist mit Mama Mimi und Papa Matthias, ein Stubaier Bergführer, viel in den Bergen unterwegs, egal, ob mit oder ohne Bike.
Die E-Mountainbikes haben die Kinder bergauf so weit unterstützt, dass sie Spaß an der Tour hatten. Eine Tour, die sie im Übrigen unbedingt unternehmen wollten. Das ist wichtig: Egal, ob mit oder ohne Motor, man sollte Kinder nicht zum Biken zwingen. Deshalb sind wir im Vorfeld schon kleinere Touren gefahren, damit die Kinder sich mit den E-MTBs vertraut machen konnten.
Berührungsängste gab es dabei keine. "Wow, cool!" – als die Kids die Bikes sahen, ging’s zu wie beim Schlussverkauf am Grabbeltisch. Rauf auf die Sättel und rein ins Vergnügen. Auch wenn das manchmal ein bisschen gedämpft wurde: Mal war ein Sattel zu hart, mal ein Reifen zu wenig profiliert, oder die Hände schmerzten vom Bremsen. Kritik gab es vor allem an den teilweise hohen Gewichten der Bikes: Über 20 Kilo schwere Bikes sind für kaum 30 Kilo leichte Kinder eine Zumutung. Dennoch sind auch die derzeit verfügbaren Kinder-E-MTBs eine tolle Option, um mal gemeinsam einen Ausflug mit den Bikes in richtige Berge zu machen.
Auf der Abfahrt vom Tribulaunhaus ins Tal beklagt sich keines der Kinder übers Bike-Gewicht. Auf den schnellen Schotterpassagen ist man sogar froh, wenn die Räder ein bisschen satter auf dem Forstweg liegen. Am Ende gibt es noch ein Eis beim Gasthof Feuerstein – solche Highlights sollten auf einer Kinder-Bike-Tour keinesfalls fehlen. "Papa, das war ein super Tag", schwärmt Nino am Ende und drückt sich ein Stück Sachertorte in die Backen. "Und wann machen wir die nächste Tour?" Ich schau’ zu den steilen Gipfeln der Stubaier Alpen hinauf und muss schmunzeln.
Fazit von Christoph Malin
E-Mountainbikes für Kinder polarisieren. Pädagogischer Unsinn, weil’s den Kids zu einfach gemacht wird, sagen die einen. Einzigartige Möglichkeit, um mit Kindern auch mal in richtigen Bergen zu biken, finden die anderen. Meine Meinung: Solange man Kinder-E-MTBs als Option sieht, um mal ohne Stress gemeinsam auf eine Alm oder Hütte zu fahren, sind diese Bikes eine echte Bereicherung fürs Familienleben. Die Hersteller haben aber noch Hausaufgaben zu machen. Bis auf das herausragende Ben-E-Bike sind KTM, BH, Bulls und Haibike im Verhältnis zum Körpergewicht deutlich zu schwer. Auch bei den Anbauteilen gibt’s noch viel Luft nach oben: Unergonomische Lenker verursachen Handgelenksschmerzen, V-Brakes mit zu weiten Bremshebeln sind ein No-Go, stahlharte "Federgabeln" ein Witz, fast alle Übersetzungen sind schwach, und sämtliche verbaute Reifen dürften breiter und profilierter sein. Natürlich wird die Industrie bei dieser Kritik mit den Kosten argumentieren. Aber dass ein geeignetes Kinder-E-MTB nicht unbezahlbar teuer sein muss, zeigt Ben-E-Bike. Der weiße Flitzer ist unser Favorit – trotz geringer Reichweite.
Die Kinder-E-Bikes im Test
Die E-Mountainbikes für Kinder dieses Tests mussten sich auf einer langen Alpentour genauso bewähren wie auf der kleinen Hausrunde. Zusätzlich haben wir alle Fahrräder auch auf dem Prüfstand getestet.
Dieses Bike wollten die Kinder nicht mehr hergeben. Ben-E-Bike liefert hier den Blueprint für das Kids-Bike des Jahres. Die Facts: 12,2 kg mit Pedalen sind ein Hammergewicht, die Federgabel ist ausgezeichnet auf Kinder abstimmbar und arbeitet richtig sensibel. Der 250 Watt starke Nabenmotor hat eine eigene spezifische Wicklung, spricht fein an und packt dann ausreichend gut zu – genauso wie die Magura MT4 mit 160-mm-Rotoren. Auf leichten Laufrädern sind Schwalbe Rocket Rons in 24 x 2.10" aufgezogen – etwas mehr Grip würde den Nachwuchspiloten noch mehr Sicherheit geben. Die 11–36-Kassette kann auf Wunsch gegen eine 11–42 oder 11–46 getauscht werden. Und wenn wir schon beim Wünschen sind: Ein ergonomischerer, stärker gekröpfter Lenker, der die Handgelenke der Kids schont, wäre das i-Tüpfelchen. Davon abgesehen: unser Favorit, trotz des Reichweiten-Mankos.
Reichhöhe 541 HM
Gewicht / Verteilung 12,0 Kilo / 44:56 %
Preis 1899 Euro
Motor Bushless DC, Nabenmotor, 250 W, 30 Nm
Batterie 175 Wh
Gabel Ben-E-Bike Smoother, 100 mm
Kassette 11–36
Kurbel 32T
Bremse Magura MT4
Reifen Rocket Ron 24 x 2.1"
Das Easy Go Kid hinterlässt uns etwas zweifelnd. Die Kinder griffen lieber zu den anderen Bikes im Test. Zwar schiebt der 250-W-Hinterrad-Nabenmotor einigermaßen den Berg hoch, allerdings sind zwei der vier wählbaren Unterstützungsstufen sinnlos – es ist kein Unterschied spürbar. Echte Spaßverderber sind: die Erwachsenen-V-Brake (an einem Kinder-E-MTB ein No-Go!), ein schwer zu schaltendes Dreifach-Kettenblatt vorne, zu lange 160er-Kurbeln und wenig profilierte Reifen. Au weia. Die mürrisch ansprechende Stahlfedergabel ist nicht einstellbar, der 200-Wh-Akku wackelt in der Satteltasche. Wenigstens ist das Display abnehmbar und der Lenker einigermaßen gekröpft, und auch das Handling geht in Ordnung. Das Bike ist mit 17,1 Kilo noch verhältnismäßig leicht, eignet sich unterm Strich aber mehr für Asphalt und Forstweg als für echte Geländeausritte. Die Reichweite ist zudem sehr limitiert.
Reichhöhe 511 HM
Gewicht / Verteilung 17,1 Kilo / 42:58 %
Preis 1599 Euro
Motor Easy Go Hinterrad-Nabenmotor, 250 W
Batterie 200 Wh
Gabel SR XCT JR 24, 50 mm
Kassette 14–28
Kurbel 22/32/42T
Bremse Shimano V-Brake
Reifen E-Motion 24 x 1.95"
Aktuelle Bosch-Kinder-E-MTBs wirken ein bisschen, wie in der Waschmaschine zu heiß gewaschen. An einen Kinder-MTB-Rahmen mit Standard-Bosch-Interface hat man einen Bosch-Active-Line-Motor geschraubt, plus Akku am Unterrohr. Dennoch funktioniert das Bulls ganz gut – und das geht zu einem Gutteil auf das Konto des sehr guten Motors. Der Bosch spricht sauber auch auf minimalsten Pedaldruck an, schiebt aber auch nicht zu brachial an und riegelt ab 20 km/h ab. Intuitiv ist auch die Bedienung der Unterstützungsstufen und das übersichtliche Intuvia-Display, das die Kinder sofort verstehen. Gut gefallen haben unseren Testern der gekröpfte Lenker, die Beleuchtung, die in der Hebelweite anpassbaren gut dosierbaren Tektro-Bremsen und das insgesamt gutmütige Fahrverhalten. Auch hier könnten die Reifen etwas besser profiliert sein. Hohes Gesamtgewicht, aber ebenso hohe Reichweite.
Reichhöhe 1820 HM
Gewicht / Verteilung 20,9 Kilo / 50:50 %
Preis 1999 Euro
Motor Bosch Aktive Line, Mittelmotor, 250 W, 50 Nm
Batterie 400 Wh
Gabel SR XCT D, 80 mm
Kassette 11–34
Kurbel 16T
Bremse Tektro HD-M290
Reifen Schwalbe Black Jack 2.1'' x 24
Was hat der Haibike-Fahrer für seine Kids in der Garage? Richtig, die Chancen stehen gut, dass es ein Hardfour ist. Optisch und im Detail macht das Haibike einen sehr guten Eindruck. Das in die Jahre gekommene Yamaha-Aggregat wirkt bei einem Kinder-Bike aber fehl am Platz. Nur träge reagiert es auf den meist schwachen Input der Kinderbeinchen am Pedal, läuft an, stoppt ab, läuft an, stoppt ab … Damit ist er im Vergleich zum sehr sensiblen, gut ansprechenden Bosch Active Line nicht konkurrenzfähig. Erst bei etwas älteren Kindern weiß der Motor bei stärkerem Pedaldruck, was der Pilot von ihm will. Davon abgesehen ist die Ausstattung angemessen: Die Suntour-Gabel ist per Luft ordentlich abstimmbar, und auch die Tektro-Bremsen passen gut ans Hardfour. Mit 20 Kilo Gesamtgewicht ist das Bike für Kinder ein echtes Schwergewicht. Das Handling bergab passt aber gut. Die Reichweite ließ sich auf unserem Prüfstand nicht ermitteln.
Reichhöhe k.A.
Gewicht / Verteilung 20,0 Kilo / 51:59 %
Preis 2199 Euro
Motor Yamaha PW Mittelmotor, 250 W, 80 Nm
Batterie 400 Wh
Gabel SR XCR Air RL, 63 mm
Kassette 11–34
Kurbel 32T
Bremse Tektro HD-M286
Reifen Schwalbe Table Top 24 x 2.25"
Mit dem Mini Me hat KTM schon eine ganze Weile ein Kinder-E-MTB im Programm, das sich gut bewährt hat. Der Bosch-Active-Line-Motor spricht sensibel auch auf schwachen Pedaldruck an, ist im Drehzahlband agil und gut dosierbar und regelt bei 20 km/h ab. Die Ausstattung passt im Wesentlichen: kräftige Tektro-Bremsen mit einstellbarer Griffweite, kurzer KTM-Vorbau. Die optionale Blockade der Suntour-Gabel hätte man sich sparen können, doch wenigstens ist die Gabel über den Luftdruck einigermaßen abstimmbar. Die Sitzposition ist gelungen, das KTM liegt bei höherer Geschwindigkeit satt und ruhig und ist auch dem gemäßigten Geländeeinsatz gewachsen. Trails setzen allerdings den Schwalbe-Table-Top-Reifen recht rasch Grenzen. Und geht es sehr steil bergauf, bremst die 11–34-Übersetzung den Motor bald aus. Da wäre eine 11-42 und vorne 14 Zähne besser. Wegen der hohen Reichweite auch für lange Touren geeignet.
Reichhöhe 1754 HM
Gewicht / Verteilung 19,5 Kilo / 51:49 %
Preis 2099 Euro
Motor Bosch Active Line-Mittelmotor, 250 W, 50 Nm
Batterie 400 Wh
Gabel SR XCR 50 mm
Kassette 11–34
Kurbel 16T
Bremse Tektro HD-M286
Reifen Schwalbe Table Top 24 x 2.25''
DIE TESTFAHRER