HardtailsSpecialized Epic S-Works vs. Stoll Bike R1

Peter Nilges

 · 18.02.2018

Hardtails: Specialized Epic S-Works vs. Stoll Bike R1Foto: Georg Grieshaber
Hardtails: Specialized Epic S-Works vs. Stoll Bike R1

Leichtfüßig, puristisch und verdammt schnell. Die beiden Top-Hardtails von Specialized und Stoll Bikes demonstrieren eindrucksvoll, wozu moderne Carbon-Technologie fähig ist.

Hardtails sind tot! Per Lenkerhebel blockierbare Fahrwerke und immer leichter werdende Fully-Rahmen haben das Hardtail zu einer vom Aussterben bedrohten Art gemacht. Am nahenden Ende des Produktlebenszyklus’ werden sie in den Katalogen der Hersteller oft nur noch als Einsteiger-Bikes betitelt. Günstig, wartungsarm und einfach abzustimmen. Ein Lowtech-Mountainbike, für Leute, die keine Ahnung von, oder kein Geld für den sonstigen Hightech der Branche haben – so hatte es zumindest manch vermeintlicher Prophet vorhergesagt. Aber so leicht geben sich die Dinosaurier unter den Mountainbikes nicht geschlagen. Denn auch jenseits des Worldcups gibt es noch immer eine große Fan-Gemeinde für das puristischste aller Mountainbikes. Was sind wir froh, dass nicht nur wir, sondern auch die Entwickler von Specialized und Thomas Stoll (Inhaber von Stoll Bikes) immer noch an das Hardtail glauben. Anstatt das Hardtail zu Grabe zu tragen, leiten die beiden Firmen eine neue Ära für Mountainbikes ohne gefedertes Heck ein. Denn das Duell von Stoll Bike R1 und Epic S-Works ist vielleicht puristisch, aber alles andere als Lowtech.

Mit 7,74 Kilo (ohne Pedale) wiegt das Stoll so wenig, dass man beim ersten Antritt meinen könnte, ein Rennrad unter seinem Hintern zu haben. Das Epic ist nur 480 Gramm schwerer. Ein Rahmengewicht von nur 829 Gramm (Stoll) macht’s möglich und stößt in Bereiche vor, welche bislang tatsächlich nur Rennrädern vorbehalten waren. Um die letzten Gramm an der Feinwaage zu schinden, verzichtet Stoll sogar auf eine Lackierung und klebt lediglich ein paar Aufkleber auf das blanke Carbon. Das S-Works ist mit 881 Gramm nur unwesentlich schwerer, hat dafür Lack, einen (etwas klobig wirkenden) Lenkanschlagsbegrenzer am Unterrohr und bietet sogar die Möglichkeit, einen Umwerfer zu montieren. Beide Test-Bikes fliegen jeden Anstieg so leichtfüßig hoch, dass man in den Verdacht geraten könnte, ein Elektromotörchen im Rahmenrohr zu verstecken. Selbst an steilsten Rampen lassen sich die Kurbeln der 1x12-Schaltung mühelos bewegen. Auch wenn man auf dem Stoll dank längerem Oberrohr noch eine Nuance sportlicher sitzt und die Laufräder noch leichter beschleunigen, kann das R1 das Epic bergauf kaum abschütteln, zumal das Specialized deutlich steifer ist (63 zu 42 N/mm). Leichte Fahrer bekommen beim Stoll zwar keine Probleme, doch der Rahmen liefert spürbar mehr Flex. Für Fahrer über 85 Kilo empfiehlt Stoll ohnehin ein 70 Gramm schwereres Layup. Abgesehen davon sind die Unterschiede gering und die Fahrt gen Himmel mit beiden Bikes zu berauschend, um einen klaren Sieger zu küren.

Wer niedrige Gewichte automatisch mit mäßiger Geländegängigkeit in Verbindung bringt, irrt. Zumindest in der neuen Hardtail-Ära. Breite Lenker und solide Reifen auf breiten Felgen sorgen auch auf knackigen Trails für ein top Handling. Durch Feinheiten in Geometrie und spürbar mehr Komfort kann sich das Stoll bergab absetzen. Ein etwas tieferes Tretlager und der längere Hauptrahmen in Kombination mit dem kürzeren Vorbau sorgen für mehr Sicherheit bei höherem Tempo und in steilem Gelände. Hinzu kommt, dass die im Specialized verbaute Rockshox-Sid-Gabel mit dem hauseigenen Brain-Lockout im Gelände Federn lässt. Der Gedanke per se ist genial: eine Gabel, die automatisch blockiert, wenn kein Schlag von unten kommt und selbstständig wieder öffnet, sobald das Vorderrad über ein Hindernis rollt. In der Praxis ist das Öffnen des Brains mit einem erhöhten Losbrechmoment beim ersten Schlag allerdings deutlich spürbar und etwas hakelig. Die Fox Float im Stoll verrichtet dagegen ihren Dienst souverän, und der flexende Hinterbau sorgt in Verbindung mit der Sattelstütze für viel Komfort, statt die Schläge ungefiltert an den Fahrer durchzureichen.

Somit gewinnt das Stoll R1 das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen das Epic. Die wichtigere Botschaft aus diesem Duell aber ist: Hardtails sind noch lange nicht tot!


Ludwig Döhl, BIKE-Redakteur: Leichtfüßig, puristisch und verdammt schnell. Beide Hardtails demonstrieren eindrucksvoll, wozu moderne Carbon-Technologie fähig ist. Noch nie haben derart leichte Bikes so viel Spaß im Gelände gemacht. Das Stoll gewinnt den Punktevergleich knapp, das Specia­lized hängt ihm aber dicht am Hinterrad. Mit beiden Bikes wird der Uphill zum berauschenden Erlebnis.

  Ludwig Döhl, BIKE-TestredakteurFoto: Privatfoto
Ludwig Döhl, BIKE-Testredakteur


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SPECIALIZED EPIC S-WORKS

Gerade Rohre, keine Farben, noch nicht mal ein Lockout-Hebel für die Gabel. Puristischer kann man ein Mountainbike kaum designen. Das steife Epic wirkt zeitlos elegant und lässt im Uphill die Mundwinkel nach oben wandern. Leider kostet die Brain-Gabel das sonst so gelungene Bike in der Abfahrt ein paar Pünktchen. Ein Rahmengewicht von 881 Gramm inklusive Lenkanschlagsbegrenzer und Lack sind phänomenal, auch wenn das Stoll noch mal leichter ist.

  Specialized Epic S-WorksFoto: Georg Grieshaber
Specialized Epic S-Works
  Specialized Epic S-Works: Der Lenkanschlag am Unterrohr wirkt klobig aufgesetzt, erfüllt aber seinen Zweck. Die Gabelkrone würde mit dem Rohr kollidieren.Foto: Georg Grieshaber
Specialized Epic S-Works: Der Lenkanschlag am Unterrohr wirkt klobig aufgesetzt, erfüllt aber seinen Zweck. Die Gabelkrone würde mit dem Rohr kollidieren.
  Specialized Epic S-Works: In der Rock­shox-Gabel sitzt die Specialized-eigene Brain-Technik. Komplett ausstellen lässt sich diese nicht.Foto: Georg Grieshaber
Specialized Epic S-Works: In der Rock­shox-Gabel sitzt die Specialized-eigene Brain-Technik. Komplett ausstellen lässt sich diese nicht.
  Specialized Epic S-Works: Um Gewicht zu sparen, verläuft der Zug fürs Schaltwerk offen unter der Kettenstrebe. Das macht es allerdings wartungsintensiver.Foto: Georg Grieshaber
Specialized Epic S-Works: Um Gewicht zu sparen, verläuft der Zug fürs Schaltwerk offen unter der Kettenstrebe. Das macht es allerdings wartungsintensiver.
  Specialized Epic S-WorksFoto: Georg Grieshaber
Specialized Epic S-Works
  Specialized Epic S-WorksFoto: Georg Grieshaber
Specialized Epic S-Works


STOLL BIKE R1

Markante Rohrformen, minimalistisches Farbkonzept und blankes Carbon – einfach sexy! Der Rahmen wiegt nur 829 Gramm und verdrängt damit das 2010er-Scott Scale (26 Zoll) vom Thron der leichtesten Rahmen. Die Verarbeitung wirkt hochwertig. Austauschbare Gewinde an Bremsaufnahme und Steckachse zeigen, dass das Konzept durchdacht ist. Stoll setzt mit diesem Bike eine neue Benchmark, auch beim Komfort.

  Stoll Bike R1Foto: Georg Grieshaber
Stoll Bike R1
  Stoll Bike R1: Der Newmen-Vorbau bringt wenig auf die Waage und kommt nur mit einer Zwei Schrauben-Klemmung, was sehr aufgeräumt wirkt.Foto: Georg Grieshaber
Stoll Bike R1: Der Newmen-Vorbau bringt wenig auf die Waage und kommt nur mit einer Zwei Schrauben-Klemmung, was sehr aufgeräumt wirkt.
  Stoll Bike R1: Die Fox-Gabel lässt sich durch einen Remote-Hebel blockieren. Die Haptik des Plastikhebels könnte aber definierter und wertiger sein.Foto: Georg Grieshaber
Stoll Bike R1: Die Fox-Gabel lässt sich durch einen Remote-Hebel blockieren. Die Haptik des Plastikhebels könnte aber definierter und wertiger sein.
  Stoll Bike R1: Der Rahmen wird in einem Stück laminiert und besitzt einen durchgängigen Faserverlauf. Die Vorbiegung der Sitzstrebe sorgt für mehr Komfort.Foto: Georg Grieshaber
Stoll Bike R1: Der Rahmen wird in einem Stück laminiert und besitzt einen durchgängigen Faserverlauf. Die Vorbiegung der Sitzstrebe sorgt für mehr Komfort.
  Stoll Bike R1Foto: Georg Grieshaber
Stoll Bike R1
  Stoll Bike R1Foto: Georg Grieshaber
Stoll Bike R1


Technische Daten und Messwerte

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