Henri Lesewitz
, Stefan Loibl
· 02.11.2021
Wie gut sind Hardtails unter 2000 Euro? Und wie belastbar ist ein Discount-Modell von Decathlon für die Hälfte des Preises? Wir haben's beim Erzgebirgs-Bike-Marathon getestet.
Drei Runden, drei Bikes, drei Fahrer: Der Erzgebirgs-Bike-Marathon gilt als besonders gnadenlos, was das Malträtieren von Mensch und Material betrifft. Wir sind nach Seiffen zu Deutschlands ältestem MTB-Marathon gereist und haben zwei EBM-Haudegen als Tester angeheuert. Die Testbikes: drei preisgünstige Hardtails von Decathlon, Canyon und Specialized. Vom Rockrider von Discounter Decathlon für 899, über das Canyon Exceed CF 5 für 1799 Euro bis Specialized Chisel Comp für 1999 Euro.
Um den bestmöglichen Kompromiss zu finden, gehen die Produkt-Manager unterschiedlich zu Werke: Das Canyon Exceed 5 zum Beispiel trumpft mit einem formvollendeten Carbon-Rahmen auf. Das ist außergewöhnlich für ein 1799-Euro-Bike und zwingt zu Abstrichen bei der Ausstattung. Der Rahmen des Specialized Chisel besteht aus Alu. Das ist günstiger als Carbon, macht sich auf der Waage aber kaum bemerkbar. „Smart Weld“ heißt das Verfahren, bei dem hydrogeformte Rohre erst ineinandergesteckt und dann verschweißt werden. Was die Stabilität an den kritischen Stellen erhört und den Einsatz dünnwandiger Alu-Rohre ermöglicht. Antrieb und Gabel sind höherwertiger als beim Canyon. Dafür kostet das Specialized aber 200 Euro mehr. Das Rockrider begnügt sich mit einem eher simpel gefertigten Alu-Rahmen. So bleibt trotz Kampfpreis Luft für eine funktionelle Ausstattung. Das Gewicht liegt mit 12,6 Kilo nur knapp 500 Gramm über dem der beiden edleren Testkandidaten. Drei spannende Konzepte. Doch welches bewährt sich unter Hardcore-Bedingungen?
Der Testbericht kostet 1,99 Euro. Warum nicht kostenlos? Weil Qualitätsjournalismus einen Preis hat. Dafür garantieren wir Unabhängigkeit und Objektivität. Das betrifft ganz besonders die Tests in BIKE. Die lassen wir uns nicht bezahlen, sondern das Gegenteil ist der Fall: Wir lassen sie uns etwas kosten, und zwar Zigtausende Euro jedes Jahr.
Hier gibt's eine Fotogalerie vom Test und unten stellen wir die drei Testbikes genauer vor.
Das Rockrider XC 100 von Discounter Decathlon ist ein seriöses Hardtail. Zwar besteht der Rahmen aus klassisch-runden Alu-Rohren, die von derben Schweißnähten zusammengehalten werden. Geometrie und Komposition der Teile verraten aber, dass das Bike von einem MTB-kundigen Produkt-Manager kreiert wurde.
BIKE: Warum verwendet Ihr in dieser Preis-Kategorie einen Rahmen aus Carbon und keinen aus Alu?
Julian Biefang (Canyon): Eine Alu-Version würde einen enormen zusätzlichen Entwicklungsaufwand bedeuten. Ein angepasstes Design, ein anderer Hersteller, neue Formen für die Rohre, etc. Die Carbon-Fertigung kann dagegen bei demselben Hersteller passieren, mit denselben Formen, Prüflehren, Prüfständen wie bei den High-End-Bikes. Außerdem wird im XC-Bereich fast nur noch Carbon nachgefragt. Der Carbon-Rahmen bietet beispielsweise auch eine hervorragende Basis für weitere Updates.
Was sind die speziellen Merkmale des CF-Aufbaus?
Um den günstigen Preis erreichen zu können wird für das CF-Layup hauptsächlich mit Standardfasern gearbeitet. Statt der teuren, hochfesten und hochsteifen Fasern müssen dann eben ein paar Lagen mehr verwendet werden, um ähnliche Eigenschaften zu erreichen. Das bedeutet: höhere Wandstärken, höheres Gewicht, aber immer noch ähnliche Steifigkeitswerte. Und ansonsten keinerlei Abstriche. Die Form und alle Features sind über die verschiedenen Layups identisch.
Worin unterscheiden sich die im CF-Rahmen eingesetzten Fasern im Wesentlichen von den teuren Fasern?
Die unterschiedlichen Eigenschaften der Kohlefasern lassen sich über verschiedene Herstellparameter steuern. Vor allem durch die Verstreckung während des Carbonisierungsprozesses des organischen Ausgangsmaterials (Pyrolyse) lässt sich die atomare Struktur in den Fasern – und damit deren Festigkeit und Steifigkeit – beeinflussen. Um Hochleistungsfasern herzustellen, ist der Prozess deutlich aufwändiger und dadurch teurer.
Aus wie vielen Einzelteilen bzw. Matten besteht ein Rahmen und welche Eigenschaften werden durch die Faser-Platzierung optimiert?
Mehrere hundert Zuschnitte pro Rahmen. Bei den günstigeren Layups mehr als bei den teureren, da diese mehr Lagen benötigen. Die Eigenschaften des Rahmens werden einerseits durch den Fasertyp mitbestimmt, vor allem aber durch die Ausrichtung der Fasern. Für einen möglichst materialeffizienten Einsatz sollten die Fasern möglichst entlang der Kraftrichtungen verlaufen. Wenn also beispielsweise der Hauptlastfall Torsion ist, dann im 45-Grad-Winkel zum Rohr. Bei Zug-, Druck- oder Biegungs-Belastungen werden die Fasern parallel zur Rohrachse platziert.
Wen seht ihr als Hauptzielgruppe für das Exceed CF 5?
Den preisbewussten Racer, der keine Abstriche an der Basis eingehen und sich alle Optionen offen halten möchte. Auch für Nachwuchs-Rennfahrer ist das Bike eine gute Basis.
„Smart Weld“ heißt das Herstellungsverfahren. Die speziell hydrogeformten und mit Zapfen versehenen Rohre werden erst ineinandergesteckt und dann verschweißt. So können extrem dünnwandige Rohre zum Einsatz kommen, da die kritischen Stellen entlastet werden. Chris D'Aluisio ist der kluge Kopf hinter dem „Smart Weld“-Verfahren. Ursprünglich hatte er und sein Entwickler-Team nach einer kosmetischen Lösung für die Produktion von Aluminium-Rahmen gesucht. Dabei wurde das Fertigungsverfahren entwickelt, das sehr glatte, nahtlos aussehende Schweißzonen ermöglicht. Als diese ersten, neuen Rahmen in einen Prüfstand gespannt wurden, übertrafen sie sämtliche bis dato festgelegten Testkriterien für Alu-Rahmen deutlich. Die neuen Rahmen sollen bei Haltbarkeitstests zwei- bis dreimal länger gehalten haben. Seitdem fertigt Specialized seine hochwertigen Alu-Rahmen – sowohl bei Rennrädern als auch Mountainbikes – mit dieser Methode. Das erste Chisel wurde 2017 vorgestellt.