Gretchen-FrageHardtail oder Fully?

Tobias Brehler

 · 01.11.2017

Gretchen-Frage: Hardtail oder Fully?Foto: Tobias Brehler
Gretchen-Frage: Hardtail oder Fully?

Macht ein Hardtail als E-Mountainbike Sinn, wenn das Budget nicht limitiert ist? Wir haben das Hardtail Scott E-Scale in der Topversion 700 Plus Tuned getestet.

Der elektrifizierte Bruder des Cross-Country-Hardtails Scott Scale kommt im Trail-Gewand daher: Breite Reifen, Vario-Sattelstütze und potente Fox 34-Federgabel mit 120 Millimetern Federweg. Neben der Gabel sind auch andere Anbauteile „E-optimized“: Die acht Gänge wechselt die sehr solide gebaute Sram EX1-Schaltung, gestoppt wird mit der Sram Guide RE-Bremse. Standesgemäß mit 200er Scheiben vorne und hinten. Wie der Name bereits verrät, rollt das Bike auf Plus-Reifen in 2,8 Zoll Breite. Beim Motor setzt Scott auf bewährte Technik: Das E-Scale verfügt über den Bosch Performance CX-Motor. Beim getesteten 2017er-Modell thront der 500 Wh-Akku nocht auf dem Unterrohr, bei den höherwertigen 2018er-Modellen verbaut Scott den Powertube-Akku von Bosch.

  Die Fox 34-Federgabel liefert 120 Millimeter und kommt in der „E-optimized“-Version.Foto: Tobias Brehler
Die Fox 34-Federgabel liefert 120 Millimeter und kommt in der „E-optimized“-Version.

All das hat seinen Preis: Die hochwertige Ausstattung schlägt sich im Preis nieder. Dieser ist mit 5000 Euro für ein E-MTB-Hardtail recht hoch. Lohnt die Investition in die top Ausstattung oder ist ein schlechter ausgestattetes Fully zum gleichen Preis die bessere Wahl? Und die wichtigste Frage: Macht ein Hardtail mit noch so potenter Ausstattung und Geometrie auf dem Trail überhaupt Spaß?

Noch bevor wir auf den ersten Trail biegen, passen wir die Sitzposition an: Alle Spacer unterm Vorbau kommen raus, um die Front so weit wie möglich abzusenken. Und da wir uns nicht komplett vom Motor anschieben lassen wollen, muss der Sattel auf Idealhöhe. Leider ist die Sattelstütze im Medium-Rad für unsere großgewachsenen Tester zu kurz geraten und wir müssen die Stütze deutlich über die Begrenzung ausziehen. Die Sitzposition fällt dann angenehm sportlich aus und wir bingen viel Druck auf die Pedale. Die verbauten Maxxis Rekon-Reifen rollen sehr gut und wir können in der Ebene ein Tempo weit jenseits der 25 km/h fahren.

Bergauf überzeugt das Bike selbst in steilen Passagen: Die tiefe Front sorgt in Kombination mit den 473 Millimeter langen Kettenstreben dafür, dass das Vorderrad am Boden bleibt. Erst wenn der Untergrund technisch anspruchsvoll wird, kommt das Rad systembedingt an seine Grenzen: Der starre Hinterbau hoppelt förmlich über den Boden und kann keine Traktion erzeugen. Hier käme man mit einem Fully weiter.

  Die Sram Guide RE-Bremse packt kräftig zu – besonders mit den großen 200er-Scheiben und den gesinterten Belägen.Foto: Tobias Brehler
Die Sram Guide RE-Bremse packt kräftig zu – besonders mit den großen 200er-Scheiben und den gesinterten Belägen.

Neigt sich der Trail talwärts und geizt nicht mit Flow, schlägt die Stunde des E-Scale: Sattel runter und Vollgas. Man fliegt in hohem Tempo über den Trail. Mit kürzeren Kettenstreben könnte man hier noch aktiver und verspielter fahren. Geht's richtig zur Sache, zieht man mit dem Hardtail den Kürzeren: Wer die Bremsen in ruppigen Passagen öffnet, muss den springenden Hinterbau zähmen. Wer nicht immer auf Angriff gepolt ist, kann mit dem Hardtail auch sehr technische Abfahrten meistern – allerdings mit gedrosseltem Tempo.

Die Ausstattung ist ganz nach unserem Geschmack: Die Sram EX1-Schaltung harmoniert mit dem starken Bosch Performance CX-Motor und liefert eine ausreichend große Bandbreite. Die Sram Guide RE-Stopper packen kräftig zu und verzögern mit den 200er-Scheiben sehr konstant. Die Maxxis-Reifen rollen bei ausreichend Grip sehr gut, erst im Schlamm kommt das flache Profil an seine Grenzen. Die Gabel arbeitet zwar nicht auf Factory-Niveau, dämpft aber alle Schläge. Der Gabel-Lockout ist am E-MTB unnötig!

  Ein Gabel-Lockout ist unserer Meinung nach am E-Mountainbike überflüssig.Foto: Tobias Brehler
Ein Gabel-Lockout ist unserer Meinung nach am E-Mountainbike überflüssig.

Zurück zur Ausgangsfrage: Greife ich bei üppigem Budget zum Fully oder doch lieber zum Hardtail? Das Hardtail meistert mit seiner Trail-orientierten Ausstattung alle Hürden, muss aber in ruppigem Gelände zurück stecken. Wer bevorzugt auf Forststraßen und flowigen Trails unterwegs ist, kann bedenkenlos zum Hardtail greifen. Wer aber den meisten Spaß auf ruppigen Abfahrten und technischen Uphills hat, nimmt das Fully – auch wenn man Abstriche bei der Ausstattung machen muss. Auch komfortorientierte Biker werden mit dem Fully glücklicher.

Test-Fazit zum Scott E-Scale

Scott hat mit dem E-Scale 700 Plus Tuned ein fähiges Hardtail im Angebot: Das Bike ist sich für nichts zu schade und macht selbst harte Abfahrten mit. Dank optimal gewählter Ausstattung hat das Hardtail einen breiten Einsatzbereich. Trotzdem greifen wir im harten Gelände lieber zum Fully – zum Beispiel zum E-Spark 720, das für ebenfals 5000 Euro im Laden steht.

  In leichtem Gelände überzeugt uns das Scott E-Scale. Wird's aber rumpelig, greifen wir doch lieber zum Fully.Foto: Tobias Brehler
In leichtem Gelände überzeugt uns das Scott E-Scale. Wird's aber rumpelig, greifen wir doch lieber zum Fully.
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