Das können Hardtails unter 1500 Euro

Ludwig Döhl

 · 25.07.2017

Das können Hardtails unter 1500 Euro

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Einsteiger-Hardtails werden mit spitzem Bleistift kalkuliert. Die 1500-Euro-Preisgrenze zwingt MTB-Hersteller zu Kompromissen. Welches Bike trotzdem für Fahrspaß im Gelände sorgt, zeigt unser Test.

Wer ein Gefährt für die Fahrt zum Biergarten sucht, der kann nach dem nächsten Satz getrost weiterblättern. Jedes unserer neun Test-Bikes schlägt sich auf Schotterpisten oder Radwegen famos. Kein Wunder, bei Preisen bis zu 1499 Euro wäre jede andere Erkenntnis auch erstaunlich. Erst der Ausritt ins Gelände zeigt, wo die Unterschiede zwischen den Einsteiger-Hardtails liegen. Zwar sind diese Räder für den Einsatz auf leichten Singletrails konzipiert. Kleine Querwurzeln, schnelle Richtungswechsel und fiese Gegenanstiege bringen aber so manchen Testkandidaten ins sprichwörtliche Schlingern.

Test 2017: 9 Einsteiger-Hardtails bis 1500 Euro

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Einsteiger-Hardtails werden mit spitzem Bleistift kalkuliert. Die Preisgrenze von 1500 Euro zwingt die Hersteller zu Kompromissen. Welches der neun Test-Bikes sorgt trotzdem für Fahrspaß im Gelände, und welches sollte die Schotterpiste lieber nicht verlassen?

Diese Einsteiger-Hardtails haben wir getestet:

  • Bulls Copperhead 3 RS (BIKE-TIPP: Fachhandel)
  • Cannondale F-SI 3
  • Canyon Grand Canyon AL SL 7.9 (BIKE-TIPP: Preis/Leistung)
  • Centurion Backfire Pro 900.29
  • Drössiger HTA Hardtrail 2
  • Ghost Kato X 6 AL 29
  • Giant Fathom 29er 0
  • Merida Big.Nine XT-Edition
  • Stevens Sentiero 29

Dabei prahlen die Kontrahenten beim ersten Zusammentreffen im BIKE-Labor noch um die Wette. Im Durchschnitt besitzen die Alu-Rahmen eine deutlich höhere absolute Steifigkeit als die Top-Carbon-Hardtails aus unserem Test in BIKE 1/2017 . Und das, obwohl alle Räder das Hinterrad nur mit einem altmodischen Schnellspanner, anstelle einer Steckachse, klemmen. Vor allem schwere Fahrer dürfte das freuen, denn die Rahmen verwinden sich selbst bei hoher Belastung kaum. Dass die Einsteiger-Bikes den Rennfeilen beim Gewicht nicht das Wasser reichen können, ist klar. Aber die durchschnittlichen zwölf Kilo ohne Pedale gehen angesichts der Preisdifferenz  von mehreren 1000 Euro in Ordnung. Bulls lässt, dank kleineren und daher auch leichteren 27,5-Zoll-Laufrädern, den Zeiger der Waage sogar bei nur 11,42 Kilo verharren. Das Canyon wiegt trotz 29er-Laufräder gerade mal 50 Gramm mehr.

Hardtails um 1500 Euro können deutlich mehr als ihnen so mancher zutrauen würde. Unsere Testgruppe gibt sich teilweise  auch im anspruchsvolleren Gelände keine Blöße.

Im Gegensatz zum Vorjahr gehören 2017 elf Ritzel an der Kassette zum Standard in dieser Preisklasse. Dreifach-Kurbeln scheinen dagegen selbst in der Einsteigerklasse ausgestorben zu sein. Fast alle Hersteller mixen Shimanos neue 11fach-SLX-Gruppe mit einigen XT-Anbauteilen, 2fach-Kurbeln und unterschiedlichsten Shimano-Bremsen. Nur Giant verbaut eine komplette XT-Gruppe. Ungewöhnlich: Canyon bietet seinen Kunden als einziger noch eine Shimano-2x10-Schaltung mit Deore-Kurbeln an. Dem Image des gut ausstattenden Versenders werden die Koblenzer damit nicht ganz gerecht, wobei der Preisunterschied von 300 Euro den Sparkurs entschuldigt. Drössiger geht mit seinem Trailhardtail sowieso eigene Wege und verbaut nicht nur eine 1x11-NX Schaltung von Sram, sondern auch eine Rockshox-Reba-Gabel mit 120 Millimetern Federweg. Der Singletrail soll so noch mehr Spaß machen. Aber zahlen sich die langhubigen Gabeln im Gelände tatsächlich aus?

Weil bei den aktuell herrschenden Wintertemperaturen eine Einkehr in den Biergarten sowieso nicht zur Debatte steht, haben wir die Hardtails auf einer Runde mit vielen artgerechten Singletrails die Sporen gegeben. Schnelle Kurven, kleine Anlieger, rumpelige Wurzelpassagen, dazu Anstiege auf Schotter- und Waldwegen. So manches Test-Bike kapitulierte bereits nach dem ersten Schotteranstieg, während andere im verwinkelten Singletrail erst richtig aufblühten.

Kandidaten wie Giant, Ghost, Canyon oder Bulls langweilen sich regelrecht auf breit planierten Forstwegen. Diese Sportgeräte kommen mit wenig Gewicht und stimmiger Geometrie auf leichten Trails erst richtig in Stimmung. Selbst kleine Sprünge in der Abfahrt können das Quartett im Kampf um den Testsieg nicht stoppen. Wobei das Bulls mit seinen kleinen Laufrädern etwas mehr Einsatz vom Fahrer verlangt, um die Abfahrten ähnlich schnell zu bewältigen wie die Konkurrenten auf großen Laufrädern. Große 29er-Laufräder rollen nach wie vor besser über Hindernisse und geben gerade Einsteigern ein angenehmes Gefühl von Sicherheit. Bergauf müssen sich die großen Laufräder dem leichtfüßig beschleunigenden Bulls aber klar geschlagen geben. Hier bleibt neben einer gelungenen Geometrie das Gewicht der wichtigste Parameter. Etablierte Marken wie Merida, Centurion oder Cannondale enttäuschen im direkten Vergleich. Zwar kommen die Bikes um die Runden, verhindern aber mit jeweils einer "Achilles-Ferse" den ultimativen Fahrspaß. Cannondale stattet seinen hochwertigen Rahmen mit zu günstigen Anbauteilen aus, Centurion patzt bei der Geometrie, und im Merida zickt die günstige Rockshox-30-Gabel. Stevens schlägt sich trotz hohem Gewicht gut und platziert sich, auch dank der breiten Felgen, im Mittelfeld.

Drössiger schweift mit seinem Trailtail etwas vom Mainstream ab. Der zusätzliche Federweg an der Gabel bringt, wie auch bei Canyon, spürbar mehr Sicherheit bergab. Beide Bikes scheuen mit mehr Reserven auch vor höheren Geschwindigkeiten nicht zurück. Allerdings büßt das Drössiger mit einer 1x11-Schaltung einige Punkte bei der Touren-Tauglichkeit ein. Das kleine 30er-Kettenblatt zwingt einen zum hochfrequenten Tritt auf der Geraden. Neben dem Fahrwerk sind die Reifen die wichtigste Komponente, um Fahrspaß und Sicherheit im Gelände zu generieren.  Hochwertige Karkassen wie sie Schwalbe-Evolution-, Continental-Race-Sport- oder Maxxis-Exo-Reifen haben, sorgen für deutlich mehr Komfort beim Ritt über Wurzelfelder und bauen in Verbindung mit dem Profil auch in schnellen Kurven mehr Grip auf. Schmale "Teerschneider" mit Drahtbauweise, verbaut am Cannondale, haben im Gelände nichts verloren.

Alles in allem gibt es genügend Hardtails, die auch unter der Preisgrenze von 1500 Euro eine ordentliche Leistung abliefern. Der Test bringt jedoch auch die Schwächen so manches Kandidaten zum Vorschein. Wer über einen Kauf nachdenkt, wird sowohl im Fachhandel als auch im Internet fündig. Wenn die Temperaturen demnächst wieder steigen, ist man mit diesen Bikes gut gerüstet für eine echte Mountainbike-Runde. Und wer weiß: Am Ende von so manchen Singletrails findet sich dann doch noch ein Biergarten, für die Erfrischung danach.

Fazit Ludwig Döhl, BIKE-Tester:
Die teilweise „befriedigenden“ Testurteile zeigen, wie schwer es für manche Hersteller ist, bezahlbaren Fahrspaß in Serie zu produzieren. Andere Firmen verhelfen ihren Bikes jedoch mit geschickten Tricks zur Testnote „sehr gut“. Selten sind die Unterschiede in einer Preisklasse so groß. Im Gelände überzeugen vor allem Canyon, Bulls, Drössiger, Giant und Ghost.

Test 2017: Hardtails unter 1500 Euro – Alternative Kategorien

Einsteiger-Hardtails werden mit spitzem Bleistift kalkuliert. Die 1500-Euro-Preisgrenze zwingt MTB-Hersteller zu Kompromissen. Welches Bike trotzdem für Fahrspaß im Gelände sorgt, zeigt unser Test.

ALTERNATIVE KATEGORIEN

Touren-Fullys unter 2000 Euro

Touren-Fully unter 2000 Euro

Fullys unter 2000 Euro kämpfen oft auf verlassenen Posten. In unserem letzten MTB-Fully-Test in BIKE 4/16 wogen diese Bikes im Durchschnitt 13,5 Kilo und enttäuschten oft durch ein schwaches Fahrwerk. In dieser Preisklasse bieten Direktversender meist die attraktivsten Pakete an. Roses Ground Control und Canyons Neuron konnten in der Vergangenheit überzeugen.

Günstige Carbon-Bikes

Günstige Carbon-Bikes

Für 1500 Euro schafft es kaum ein Hersteller, ein konkurrenzfähiges Carbon-Hardtail auf die Räder zu stellen. Wer allerdings bereit ist, 200 bis 500 Euro mehr auszugeben, der kann mit dem Werkstoff Kohlefaser liebäugeln. Allerdings sinkt aufgrund der teureren Rahmen das Ausstattungsniveau oft ziemlich ab. Das Cube Reaktion GTC oder Roses Mr. Big sind Carbon-Bikes mit gutem Preis/Leistungsverhältnis.

Plus-Laufräder für mehr Spaß im Gelände

Die dicken Plus-Reifen waren 2016 der letzte Schrei. Mittlerweile hat sich der Hype wieder beruhigt. Ein Test in BIKE 7/16 zeigt, dass Plus-Hardtails in der Preisklasse bis 1700 Euro vor allem schwer und schlecht ausgestattet sind. Den besseren Fahrkomfort und zusätzlichen Spaß in den Abfahrten erkauft sich das Plus-Format mit Abstrichen in der Touren-Tauglichkeit.

Plus-Laufräder für mehr Spaß im Gelände

DETAILS – GENAU BETRACHTET

Das können Hardtails unter 1500 Euro: Details der Testräder

Einsteiger-Hardtails werden mit spitzem Bleistift kalkuliert. Die 1500-Euro-Preisgrenze zwingt MTB-Hersteller zu Kompromissen. Welches Bike trotzdem für Fahrspaß im Gelände sorgt, zeigt unser Test.

Die Preisgrenze von 1500 Euro zwingt die Hersteller zu Abstrichen. Details zeigen, wo günstige Lösungen Sinn machen und wer an der falschen Stelle spart.

Cannondale baut den zweitleichtesten Rahmen dieses Tests. Die Zugführung bleibt jedoch abenteuerlich. Die Schaltzüge am Unterrohr sind Dreck ausgesetzt und scheuern am Rahmen.

Untypisch: Normalerweise glänzt Canyon als Versender immer mit einer Top-Ausstattung. In diesem Testfeld hecheln die Koblenzer mit einer älteren 2x10-Schaltung der 11fach-Konkurrenz etwas hinterher. Auch die Schaltwerksdämpfung fehlt dem XT-Wechsler.

Drössiger setzt bei seinem Trailhardtail als einziger Hersteller auf eine Einfach-Kurbel. Allerdings kommt das 30er-Kettenblatt in Verbindung mit dem kleinem Elfer-Ritzel der Kassette auf der Geraden oder bergab schnell an seine Grenzen. Die Bikes mit 2fach-Kurbeln bieten deutlich mehr Bandbreite.

Ghost verbaut Schwalbe-Reifen mit hochwertiger Evolution-Karkasse und erhöht so den Fahrkomfort bei gleichzeitiger Gewichtsersparnis. Allerdings ist das Profil des Thunder Burts sehr dürftig. Im Gelände oder bei Nässe kommt der Reifen zu schnell an seine Grenze.

Die meisten Bikes in diesem Test haben zumindest am Vorderrad eine Steckachse und lassen sich so präzise steuern. Nur Merida, Centurion und Cannondale setzen hier noch auf den klassischen 9 Millimeter-Schnellspanner. Am Hinterrad verbauen alle Hersteller einen Schnellspanner.

Die Ausfallenden des Meridas wirken etwas plump, sind aber praktisch. Sportlich orientierte Fahrer mögen sich über die integrierten Aufnahmen für Schutzblech und Seitenständer wundern. Das lässt aber alle Optionen offen, wenn das Bike später mal als Stadtrad genutzt werden soll. Multifunktions-Ausfallenden sind typisch für die Preisklasse.

Die innen verlegten Züge am Bulls gehören beim Copperhead mittlerweile dazu. Das Hardtail bietet so eine aufgeräumte Optik. Top: Während unseres Tests klapperten die Züge im Inneren des Rahmens kein bisschen.

Centurion, Merida, Stevens und Giant setzen zur Umwerfer-Montage auf eine klassische Rundschelle. Aktuellere Standards wie Direkt Mount (Ghost, Canyon, Cannondale) oder E-Type (Bulls)) erleichtern die Montage, schonen das Sattelrohr und sind verdrehsicher.

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