Sebastian Brust
· 19.09.2018
Auf den ersten Blick fällt die seltsam anmutende Cyfly-Kurbel kaum auf. Wer genau hinschaut, entdeckt ein völlig neues Antriebskonzept. Das Möve Henry ist das erste MTB mit dem eiereckigen Antrieb.
Eine Gruppe Ingenieure hat sich 2011 in Mühlhausen zusammengetan, um unter dem wieder zum Leben erweckten Markennamen Möve erst klassische Entwicklungsdienstleitungen und inzwischen eigene, außergewöhnliche Fahrräder zu vertreiben, deren Herzstück sie von allen anderen Fahrrädern unterscheidet. Der sogenannte Cyfly-Antrieb ist ein eigens entwickelter Tretmechanismus, der die vom Fahrer aufgebrachten Pedalkräfte deutlich verstärken soll – ganz ohne Motor und zusätzlicher Energie, sondern rein mechanisch.
Und das geht angeblich so: Ein kompliziertes System aus Hebeln und Gelenken verändert die Kurbelarmlänge und somit den für die Kraftübertragung wirkenden Hebelarm während einer Kurbelumdrehung kontinuierlich so, dass die Hebelwirkung genau dann am größten ist, wenn vom Fahrer die größte Kraft auf das Pedal gebracht wird – nämlich in der Abwärtsbewegung mit dem Maximum in der Drei-Uhr-Stellung. In den oberen und unteren Totpunkten ist die Kurbelarmlänge minimal, wodurch – eine gleichbleibende Kurbeldrehgeschwindigkeit vorausgesetzt – diese für die Krafteinleitung unbedeutenden Positionen schneller durchfahren werden.
Die veränderlichen Hebelverhältnisse sollen wiederum den erhöhten Kraftaufwand mehr als kompensieren, der erforderlich ist, um ein modernes ovales Kettenblatt mit einem für die Druckphase größeren Teilkreisdurchmesser zu treten. Unter dem Strich will die Kombination aus der Cyfly-Kurbel mit dem ovalen Kettenblatt dafür sorgen, dass bei gleicher Krafteinleitung durch den Fahrer ein höheres Drehmoment an das angetriebene Hinterrad übertragen werden kann.
An das anfangs seltsam wirkende, leicht stampfende Fahrgefühl soll man sich nach einer kurzen Umgewöhnungszeit schnell gewöhnen, sodass sich auch ein Fahrrad mit Cyfly-Kurbel flüssig und einigermaßen rund treten lassen kann. Derzeit ist die Cyfly-Kurbel nur exklusiv in Möve-Bikes verfügbar.
Gleiche Leistung, mehr Drehmoment? Das angebliche Plus an Kraftentfaltung soll nicht nur das Mehrgewicht des Antriebs von rund zwei Kilogramm im Vergleich zu einer einfachen Kurbel kompensieren, sondern darüber hinaus sogar so deutlich ausfallen, dass Möve das nun vorgestellte Hardtail-Mountainbike gar mit einem ovalen 46-Zähne-Kettenblatt (!) ausliefert. In Kombination mit der Sram GX Eagle 12-Gang-Schaltung sei so zwischen 20-Prozent-Steigung und rasantem Bergab-Gestrampel mit bis zu 60 Sachen trotzdem alles möglich. Na, dann!
Die neue Antriebskurbel, die alleine aus über 100 Teilen besteht, schlägt auch auf der Kostenseite zu Buche. Mit 3995 Euro ist das Möve Henry mit laut Hersteller 12,9 Kilo Gesamtgewicht kein Schnäppchen – dafür bekommt man Tune-Laufräder, Griffe und Sattel von Ergon, Rockshox Reba Federgabel und die Vierkolbenbremse Magura MT5.
Der Cyfly-Antrieb von Möve soll die Leistungsausbeute sagenhaft verbessern, obwohl es schwer ist wie ein E-Motor. Sensation oder Hokuspokus? Beweise für die Wirksamkeit seiner Hebelei konnte Möve bislang nicht vorlegen, was angesichts des vollmundigen Versprechens von 40 Prozent mehr Drehmoment verwundert. Wir haben den Cyfly-Antrieb nun in Labor und Praxis ausgiebig getestet. Die Ergebnisse der Tests und unser Fazit lesen Sie in BIKE 3/19 – ab 5. Februar am Kiosk.