29 gegen 26 Zoll 2010

Christoph Listmann

 · 19.08.2010

29 gegen 26 Zoll 2010Foto: Daniel Simon,Wolfgang Watzke
29 gegen 26 Zoll 2010

Große gegen kleine Räder – so lautet das spannendste Duell des Jahres. Wir haben vier Paarungen mit gleichem Fahrwerk und unterschiedlicher Radgröße gegeneinander getestet. Die Frage: Haben 26-Zöller noch eine Zukunft? Und Sie finden eine Übersicht der Firmen, die bereits in 2010 oder im nächsten Jahr 29-Zoll-Bikes im Angebot haben.

Ich habe das Gefühl, die Seele kehrt zurück in den Bike-Sport. Machen wir uns nichts vor: Die goldene Ära der Gründerzeit ist Geschichte und immer weniger Zeitzeugen erinnern sich daran: purple eloxierte, CNC-gefräste Teile an schlanken Stahlrahmen. Grelles, enges Lycra auf der Haut und Styropor-Schalen auf dem Kopf. Wer kennt denn noch Marken wie Breezer, Kestrel, Klein oder Mountain Goat? Mit den 29ern kehrt die Seele zurück, das sagt mein Bauchgefühl. Und das macht Laune. Man kann sich wieder über ein Bike mit Charakter identifizieren, abheben von der Masse der schwarz eloxierten Stangenware. Man klinkt sich aus dem Teufelskreis aus Leichtbau, Preis/Leistung, Versandhandel und Sonderangeboten einfach aus.


Rückkehr der IndividuaiItät

Noch ist nämlich das Gute an 29ern, dass sie genau das nicht sind: Massenware, Mainstream, Ramschware im saisonalen Ausverkauf. Mit einem 29er zeigt man seine eigene Visitenkarte. Die Bikes entstammen derzeit noch meist kleinen Schmieden, sind schwer zu bekommen und alles andere als billig. Wer jetzt schon eins besitzt, suchte genau das und hat keinen Zufallskauf getätigt. Wer kennt sie schon, die Marken Pivot, Intense, Titus oder Niner, die in Megatests chancenlos sind, keinen Zugang finden in die Fahrrad-Großmärkte (zum Glück), die nicht auftauchen auf der Check-Liste Vernunftkauf. Doch was können die 29er wirklich – und vor allem: Was können sie besser? Wir wollen die Lobeshymnen auf die großen Räder erst singen, wenn die Sachlage eindeutig ist. Für diesen Test haben wir große und kleine Räder verglichen. Es geht hier nicht darum, das absolut beste Bike zu finden. Das ist in diesem Test lediglich ein Nebeneffekt. Unser Testfeld: jeweils zwei Bikes von vier Herstellern, die auf gleicher Fahrwerks-Basis zwei Radgrößen anbieten. Die familieninternen Duelle bei Intense Tracer, Pivot Mach 4, Rocky Mountain Altitude und Specialized Epic haben wir mit fünf Testfahrern (29er-Neulinge und Routiniers) ausgetragen.


Erstaunen im Testlabor

Unerwartetes aus dem Labor: Die Fahrwerke der 29er sind steifer als die der 26er-Bikes, aber auch bis zu 1,3 Kilo schwerer. Das Übergewicht kommt von Gabel (etwa 200 Gramm), Rahmen (bis zu 450 Gramm) und Laufrädern (bis zu 600 Gramm). Dass man durchaus auch leichte 29er-Laufräder bauen kann, zeigen die Edge-Carbon-Modelle des Intense, sie sind sogar leichter als die meisten 26-Zoll-Räder im Testfeld. Die Frage nach der Radgröße ähnelt der Gretchenfrage “Hardtail oder Fully?” im Rennsport: Die besseren Fahreigenschaften bezahlt man mit höherem Gewicht. Die Differenz wird vermutlich immer bei rund 500 Gramm liegen. In diesem Testfeld ist das leichteste Bike ein 26er (Pivot, 11,75 Kilo) und das schwerste ein 29er (Intense, 13,95 Kilo).


Praxis: Gewicht ist kein Thema!

Doch vom Gewicht darf man sich nicht abschrecken lassen. Während des Praxistests am Gardasee spielte es nur eine untergeordnete Rolle, sieht man mal vom trägen Intense ab (aber auch das begeisterte auf seine Art). Die großen Räder haben zweifellos ein spezielles Fahrverhalten. Man braucht ein paar Kurbelumdrehungen mehr, um in Fahrt zu kommen. Die Spritzigkeit fehlt und im Singletrail fühlt sich die Lenkung mitunter etwas träger an. Doch das sind nicht die entscheidenden Kriterien. Das Zünglein an der Waage bei den Duellen waren immer wieder die überragende Traktion, der Kurvenhalt und das überlegene Handling im technisch schweren Downhill. Eine Erleuchtung für unsere zwei Testfahrer, die noch nie zuvor auf 29ern gesessen haben. Hier stabiles Fahrgefühl, dort Überschlagsgefühl. Mit dem leichtesten Bike der Gruppe, dem Pivot Mach 4 (26 Zoll) konnte sich unterm Strich keiner der fünf Testfahrer anfreunden. Und nicht mal bei der Messung der Rundenzeiten schlug das Gewicht der Bikes durch.


Die Ergebnisse des Vergleich von 29 gegen 26 Zoll sowie eine Marktübersicht finden Sie unten als PDF-Download.


Modelle im Test:

Intense Tracer VP 29 gegen Tracer VP 26

Pivot Mach 429 gegen Mach 4

Rocky Mountain Altitude 29 gegen Altitude 70

Specialized Epic Comp 29 gegen Epic Comp



Bitte beachten Sie
: Alle Daten in der Marktübersicht sind Herstellerangaben, die empfohlenen VK-Preise sind teilweise vorläufig - Änderungen vorbehalten. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit der Übersicht.

  Im Downhill haben die großen Räder die Nase vornFoto: Unbekannt
Im Downhill haben die großen Räder die Nase vorn
  Bergauf bieten 29er mehr Traktion, sind aber (noch) deutlich schwererFoto: Unbekannt
Bergauf bieten 29er mehr Traktion, sind aber (noch) deutlich schwerer

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