Dimitri Lehner
· 22.02.2017
Diese zwei Big Bikes aus Übersee sind die Spitze der Bike-Evolution, Ferrari und Maserati unter den Downhillern. Bei diesem Duell kann nur einer gewinnen – nämlich die Besitzer eines solchen Boliden.
Schaut euch diese Luxusschlitten an! Edelstes Carbongeröhr im Superhighend-Finish. Selbst der Laie erkennt, dass diese Bikes eher Kunstwerke sind als Sportgeräte. Ihre Finanzierung bringt allerdings die Hirnsynapsen zum Stolpern: Ums sich diese Anschaffung schön zu reden, muss die Vernunft kräftig ausgehebelt werden. Machen wir uns nichts vor: Bikes für die Hälfte des Geldes, fahren ähnlich schnell und sicher. Etwa das Giant Glory in der Alu-Version (Test Seite 88). Für den Giant-Komplettpreis gibt’s gerade mal den nackten Intense- oder Devinci-Rahmen. Doch niemand staunt, bewundert, tuschelt, schiebt man ein Vernunftsbike durch die Liftschlange im Bikepark und wahrscheinlich muss man auch auf die Gänsehaut verzichten, die über den eigenen Rücken krabbelt, wenn man sich auf so einen Edelboliden schwingt. Beide Firmen besitzen eine lange Racing-Tradition. Intense, die Kultschmiede aus Südkalifornien, baut die M-Serie seit 1997 für den Renneinsatz. M1 hieß das erste Bike, mitterweile sind sie bei M16 angekommen, der Federweg ist auf 240 Millimeter angewachsen. Verwegene Typen wie Worldcupper Chris Kovarik oder der legendäre Shaun Palmer schrieben mit diesen Rädern Mountainbike-Geschichte. Devinci aus Quebec in Kanada feierte die größten Erfolge mit dem kürzlich verunfallten Stevie Smith (siehe Seite 8). Stevie gewann mit dem Wilson 2013 den Gesamtworldcup und zeigte dieses Jahr in Lourdes, dass das neueste Modell zu den schnellsten Bikes der Welt gehört.
Duellplatz
Wir ließen die Edel-Bikes im Böhmerwald, nahe der deutschen Grenze, gegeneinander antreten. Hier versteckt sich unter hellen Laubbäumen der Bikepark Spicak. Die bockige Downhillstrecke schien für das Duell ideal. Sie schlägt im oberen Teil enge Haken und schiebt den Bikern Felsbrocken unter die Räder, um dann über Wurzeln und Steinfelder zu beschleunigen und mit Vollgas zu enden. Genau richtig also, um nicht nur die Laufruhe der Bikes zu checken, sondern auch ihre Handlichkeit. Und dann bietet Spicak noch flowige Jump-Trails wie den Black Friday mit Drops, Rampen, Gaps und schnellen Kurven. Verspielte, handliche Bikes machen auf dieser Abfahrt besonders viel Spaß.
Fazit: Zwei Superbikes mit ähnlichem Charakter. Das Intense zeigte sich souveräner, sicherer und komfortabler, denn im Devinci steckte die falsche Gabel.
Duellant 1: Intense "M-16 C" Bullit Pro
C steht für Carbon. Intense-Gründer Jeff Steber baute zuerst das M16 A (Alu), um nun mit der Kohlefaser-Version nachzulegen. "Das ist der überlegene Werkstoff", proklamiert Steber. Intense bietet drei Komplett-Modelle des M16 an, das Expert, das getestete Pro und die Top-Variante Factory für 13.000 Euro. Wir entschieden uns für Größe Large, denn die Intense-Rahmen fallen klein aus. Damit besitzen M16 und Wilson den gleichen Reach: 438 Millimeter. Mit knapp über 16 Kilo wiegen beide auch etwa gleich viel – ideale Voraussetzungen für ein faires Duell. Wie auch Devinci verpasst Intense seinem Bike den bewährten Vivid RC2-Dämpfer. Er sitzt dicht überm Tretlager und spendiert dem Bike einen schön tiefen Schwerpunkt. Intense vertraut weiterhin auf die VPP-Kinematik. Der nominell hohe Tretlagerwert (460 Millimeter) fällt dabei nicht negativ auf. Es gilt: draufsetzen, wohlfühlen. Front und Heck harmonieren. Das Intense-Fahrwerk ist gut ausbalanciert und entwickelt mit seinen bewährten RockShox Federelementen eine enorme Sicherheit. Dennoch ist das M16 keine dieser Eisenbahnschienen, die momentan modern sind, sich aber nur im Vollgas-Rausch geradeaus richtig wohl fühlen. Nein, es ist auch ein hervorragendes Park-Bike mit einem Easy-Handling. Nur die langen Kettenstreben erfordern etwas mehr Armkraft, um das Bike zum Manual aufs Hinterrad ziehen.
Herstellerangaben
Vertrieb Shock Therapy, www.shock-therapy.com
Material/Größen Carbon/S,M,L,XL
Preis/Gewicht ohne Pedale 9410 Euro/16,3 kg
Messdaten
Federweg vorne/hinten 200 mm/215-240 mm
Hinterbausystem VPP
Ausstattung
Gabel/Dämpfer RockShox Boxxer Worldcup/RockShox Vivid R2C
Kurbeln/Schaltung SRAM X0/SRAM X01 DH
Bremsanlage Shimano Saint
Laufräder Stan’s No Tubes Rapid 30 Systemlaufradsatz
Reifen Maxxis Minion DHF ST 2,5
PARK 5 von 6 Punkten
DOWNHILL
6 von 6 Punkten
Performance: Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar.
Duellant 2: Devinci Wilson Carbon SL
Wir geben zu: Das Wilson startete mit Vorschusslorbeeren in den Schlagabtausch. Warum? Vor zwei Jahren testeten wir das 26-Zoll-Wilson und waren schlichtweg begeistert. Das Bike erwies sich als Gravity-Highlight des Jahres. 2016 stellten die Devinci-Ingenieure das Wilson nicht nur auf die größeren Laufräder, sie hängten auch das Federbein um. Vom Oberrohr rutschte der Dämpfer nach unten und klammert sich jetzt ans Unterrohr. Das senkt den Schwerpunkt des Bikes weiter ab. Gleich geblieben ist die wuchtige Carbon-Schwinge (nur die Kettenstreben sind aus Alu) im Motocross-Style mit ihrer Split-Pivot-Kinematik von Federungs-Guru Dave Weagle. Das Bike wird vom Deutschland-Vertrieb entweder mit der Boxer Worldcup (8659 €) oder der günstigeren X-Fusion RV-1 verkauft – leider, will man sagen. Denn mit dieser Gabel konnten wir uns nicht anfreunden. Sie macht das Fahrwerk des Wilson unharmonisch. Egal, wie sehr wir an den Knöpfchen tunten, es gelang uns nicht, mehr Komfort aus der RV-1 zu kitzeln. Dennoch ist das Wilson ein tolles Bike, aber es konnte nicht so glänzen wie damals und zog im Vergleich zum Intense deutlich den Kürzeren. Wir können nur spekulieren, wie das Duell ausgegangen wäre, hätte im Steuerrohr eine Boxer Worldcup gesteckt. Unser Tipp: Investiert die rund 500 € für die bessere Gabel. Denn vom Handling ähneln sich die zwei Boliden aus Übersee. Auch das Wilson ist keine reine Downhill-Feile, sondern ein agiles Parkbike.
Herstellerangaben
Vertrieb Shocker Distribution, www.shocker-distribution.com
Material/Größen Carbon/S,M,L,XL
Preis/Gewicht ohne Pedale 8109 Euro/16,2 kg
Messdaten
Federweg vorne/hinten 200 mm/200 mm
Hinterbausystem Split Pivot
Ausstattung
Gabel/Dämpfer X-Fusion RV1/RockShox Vivid R2C
Kurbeln/Schaltung SRAM X0 DH/SRAM X01
Bremsanlage SRAM Guide RSC
Laufräder Easton Havoc Systemlaufradsatz
Reifen Schwalbe Magic Mary SG Evo Vertstar 2,35
PARK 4 von 6 Punkten
DOWNHILL
4 von 6 Punkten
Performance: Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar.