Dimitri Lehner
· 30.07.2019
Holger Meyer ist Fahrtechnik-Experte. Mit seinen Coaches richtet er das FREERIDE-Camp aus. Wir sprechen mit Holger über Risiko, begehrte Moves, seine Lieblingsbikeparks und dass früher nicht alles besser war.
Wird das Risiko beim Bikepark-Biken unterschätzt?
HOLGER MEYER: Nein. Du kannst dir schließlich auch im Freibad den Arm brechen, wenn du blöd ausrutscht. Doch die Ermüdung wird unterschätzt. Bikepark-Shredden ist anstrengend und erfordert volle Konzentration. Lässt die nach, wird’s gefährlich.
Was sind die begeehrtesten Moves unter den Teilnehmern?
Die meisten Teilnehmer des FREERIDE-Camps wollen springen lernen und droppen – kontrollierte Airtime. Das kann man im Bikepark Serfaus-Fiss-Ladis gut trainieren. Hilfreich wäre allerdings noch eine Abfolge von vier Tables, die alle die richtigen Abmessungen besitzen. Ähnlich denen im Bikepark Geisskopf. Dort ist die Geschwindigkeit so gering, dass ich mich voll auf die Technik konzentrieren kann und die Verletzungsgefahr durch den geringen Speed minimal ausfällt. Denn so kann man Airtime-Neulingen Springen am besten beibringen.
Besser langsam als schnell?
Ja, Sprünge mit hohem Speed gaukeln dem Biker vor, er könnte bereits springen. Schließlich schafft er es über den Table. Doch in Wirklichkeit schießt ihn nur die hohe Geschwindigkeit über den Sprung. Er muss gar nix tun, außer den Lenker festzuhalten. Doch das ist keine Sprungtechnik – das ist Cannon-Balling.
Wie geht’s richtig?
Mein Parade-Beispiel ist Bikeprofi Timo Pritzel. Er fährt die Jumps so langsam an, dass man nie glauben würden, dass er es in die Landung schafft. Doch durch Pushen, Druck aufbauen, Körperstreckung usw. fliegt er unglaublich hoch. Und genau dieses Gefühl will man schließlich haben: Airtime. Nicht wie eine Kanonenkugel in die Weite ballern, sondern durch einen aktiven Absprung die Schwerelosigkeit erleben. Das ist übrigens auch Voraussetzung für Tricks.
Um die Technik zu lernen, braucht man Zeit. Haben das die Teilnehmer im FREERIDE-Camp?
Natürlich wollen die Teilnehmer schnelle Erfolge sehen – und viele, die am FREERIDE-Camp teilnehmen, sind etwas abgeschreckt durch die vielen radikalen Fotos im Heft. Das suggeriert, dass jeder im Superwhip oder Suicide No Hander über die Jumps fliegt. Im FREERIDE-Camp setzen wir das ins richtige Licht – und dann klappt es sehr gut.
Wie hoch ist der Lernerfolg?
Hoch. Das Ziel der meisten Teilnehmer: Sie wollen den Drop vom Hüttendach in Serfaus schaffen. Am ersten Tag stehen viele da ehrfurchtsvoll davor. Doch nach ein paar Tagen Training auf der Drop-Batterie und anderen Drops, springen sie vom Hausdach. Dann sind sie happy und fahren mit einem tollen Erfolgsgefühl nach hause.
Hilft die Gruppendynamik bei dieser Mutprobe?
Unbedingt. Der Coach ermutigt dich, sagt, du hast es drauf. Oder gibt Hilfestellung, indem er vorfährt und dich anweist, genau das Gleich zu machen wie er. Das hilft, die eigenen Ängste auszublenden, das Selbstvertrauen zu stärken und sich auf die Technik zu konzentrieren. Es gibt den Teilnehmern auch eine Sicherheit, dass sie sich drei Tage lang intensiv mit dem Thema auseinander setzten. Wenn du da alleine für dich rumstöpselst, hast du diese mentalen Hilfen nicht.
Du selbst betreibst den Sport schon lange. Hat sich deine Sicht über die Jahre verändert?
Ich fahre zwar gerne im Bikepark, doch meine eigentliche Leidenschaft sind alpine Trails. Wenn ich dann im Park fahre zusammen mit meinen Fahrlehrern, profitiere ich genauso von der Gruppendynamik und mache Sprünge und Drops, die ich sonst vielleicht nicht machen würde. Das ist ein schöner Nervenkitzel.
Hat sich das Park-Freeriden übe die Jahre verändert?
Das Fahrniveau ist heute viel höher. Das liegt auch daran, dass die Strecken besser geworden sind als zu den Anfangstagen. Jetzt besitzt jeder Sprung oder Drop eine Landung. Früher war das oft nicht so.
Deine drei Lieblingsparks in Reichweite?
(Zögert. Denkt nach.) 1. Serfaus-Fiss-Ladis. Denn da bin ich am schnellsten von Garmisch aus und mir gefällt die Mischung aus Park-Trails und Natur-Abfahrten wie den Frommes-Trail. 2. Livigno. 3. Portes du Soleil – ich war zwar schon länger nicht mehr da, doch dort gibt es so viele Trails mit unterschiedlichem Charakter. Oh – es ist mir fast schon peinlich, dass ich nicht wie aus der Pistole geschossen sagen kann: 1,2,3. Das kann ich aber nicht. Leogang hat sich gemausert, Saalbach gefällt mir nicht ganz so. Manche Strecken sind sehr gebrauchsanfällig. Erwischt du einen falschen Zeitpunkt, wird’s doof. Beispiel: die Jumpstrecke Strada del Sole in Serfaus. Oft ist sie so mit Bremsrillen verseucht, dass die Strecke kaum Spaß macht und es dich nur durchschüttelt.
Wirst du selbst auch noch besser?
Sicherer. Wenn ich mich wieder an Sprünge und Drops rantaste, merke ich die Kontrolle und Sicherheit, die sich einstellt. Dazu muss ich sagen, dass ich vielleicht nur 5 bis 10 Prozent Park fahre.
Welcher Trail in Serfaus hat deinen Teilnehmern am besten gefallen?
Meiner Gruppe hat der Trail Morning Glory gefallen mit seinen Table-Jumps. Ein blauer Trail. Und Supernatural mit seinen vielen Kurven.
Findet das FREERIDE-Camp 2020 wieder in Serfaus statt?
Ja, zum gleichen Termin. Da kann man sich jetzt schon anmelden.
Und du gibst eine Garantie für den Drop von der Hütte?
Ich gebe eine Drop-Garantie. Ob es am Ende die Hütte wird, weiß man nicht (lacht).
Mehr Infos unter: http://www.dierasenmaeher.de