Dimitri Lehner
· 11.09.2014
Die Hersteller schrauben fleißig am Preis und pressen Big Bikes um die 2000 Euro auf den Markt. Wir haben die günstigsten Angebote getestet, inklusive Race-Check von DH-Worldcupper Johannes Fischbach.
Der Typ ist ein Blitz. Kaum gibt man das "Go!" für die Abfahrt schon entschwindet Johannes Fischbach aus dem Sichtfeld, während man selbst mit dem ersten Wurzelfeld kämpft und viel zu langsam den folgenden Turn nimmt. Fischi, wie Johannes Fischbach in der Szene genannt wird, mag’s gerne schnell. Kürzlich bewies er das eindrücklich, als er beim Downhill-Worldcup in Australien in die Top-12 fuhr. Das macht Fischi zum perfekten Big-Bike-Checker! Wir engagierten den schnellen Oberpfälzer als Promi-Tester, um seine Profi-Eindrücke von den Einstiegs-Big-Bikes zu schildern.
Kaufen oder Finger weg?
Big Bikes um die 2000 Euro – das ist der günstigste Einstieg ins Gravitybiken und besonders für all diejenigen interessant, die sich ein Big Bike als Zweitrad für gelegentliche Park-Besuche zulegen wollen. Oder für Schüler und Studenten, die schlichtweg nicht die Kohle haben, für ein Trek Carbon-"Session" einen Betrag hinzublättern, für den man vor Jahren noch einen Mord in Auftrag geben konnte. Big Bikes für 2000 Euro – was kriegt man für diesen Kampfpreis? Manche Hightech-Gabel kostet mehr als hier das ganze Bike (siehe Seite 114). Da liegt die Frage nahe: Billigschrott oder sind diese Bikes wirklich seriöse Sportgeräte? Kurz: Landet man mit diesen Angeboten tatsächlich ein Schnäppchen, über das man sich auch nach ein paar Bike-Saisons noch freut, oder ist das wie mit den Bohrmaschinen für 19,95 € im Baumarkt? Auf den ersten Blick ein wertiges Tool, doch nach kurzem Einsatz bereits Sondermüll.
Die Big-Bike-Seele: das Fahrwerk
Das gab es noch nie: ein Testfeld, in dem ausschließlich identische Federelemente verbaut wurden – in jedem Bike steckten RockShoxs "Boxxer RC"-Gabel und "Kage RC"-Dämpfer. Mittlerweile sind die Federelemente so gut geworden, dass selbst diese günstigen Modelle eine erstaunliche Performance abliefern. Das musste auch Racer Fischbach anerkennen, der sonst nur mit absoluter Hightech unterwegs ist. "Die Federelemente sind völlig ausreichend, wenn man nicht um jede Abfahrtssekunde feilscht. Hey, vor nicht allzu langer Zeit sind wir damit im Worldcup gefahren!" Auch RockShox-Mann Elmar Keineke versichert: "Da steckt bewährte Technik drin. Mit diesen Fahrwerken werden 90 Prozent der Biker zufrieden sein und sie nicht so schnell ausreizen können." Vorteil dieser Federungen: Sie funktionieren nach dem "Plug & Play"-Prinzip. Es fällt leicht, die richtige Einstellung zu finden. Wenn die Feder passt: Zugstufe, Druckstufe – fertig and go! Keine Knöpfe-Flut wie im Airbus-Cockpit mit dem ständig einhergehenden schlechten Gewissen, etwas nicht optimal abgestimmt zu haben. Auch sonst waren alle Bikes sinnig ausgestattet. Bis auf das Votec rollten alle auf hochwertigen Downhill-Reifen, so dass wir diesmal sogar auf die Einheitsbereifung verzichten konnten.
Persönlichkeitstest
Für eine Charakteranalyse scheuchten wir die Bikes die Teststrecken runter und schnell wurde klar, wie sie ticken. Zwei Bikes stachen heraus: Radons "Swoop" und das Votec "VF 195" hoben sich vom Trio Canyon, Rose, YT ab. Das Radon wollte schnell gefahren werden und bestach mit viel Laufruhe, dafür fehlte etwas die Verspieltheit – mehr Racer als Spielgefärte für den Park. Ganz das Gegenteil: das kurze Votec mit seiner etwas angestaubten Geometrie. Es konnte mit dem Rest des Testfelds nicht mithalten. Canyon, Rose und YT traten wie Drillingsgeschwister auf. Könnten wir mit verbundenen Augen downhillen, es wäre schwer geworden, auf das richtige Bike zu tippen. Alle drei überzeugten mit einem breiten Einsatzbereich, solider Downhill-Leistung und verspieltem Handling. "Freerider, die ihr Bike überall einsetzen wollen, werden mit den dreien happy", ist sich Johannes Fischbach sicher.
Der unfaire Vergleich
Zufällig hatten wir noch zwei Canyon "Torque DHX Rockzone" beim Testen dabei. Beide mit CaneCreeks "Double Barrel"-Dämpfer ausgestattet. In einem steckte die neue DVO "Emerald", im anderen eine "Boxxer Worldcup". Ideal, um nicht nur innerhalb des Testfelds zu vergleichen, sondern die günstigen Fahrwerke mal gegen High-End-Federungen ins Rennen zu schicken. Der Umstieg auf die Luxus-Fahrwerke offenbarte ein Aha-Erlebnis – das Komfort-Plus war deutlich zu spüren. Man fuhr schneller, sicherer, leiser und angenehmer. Naja, wäre ja auch komisch gewesen, wenn nicht. Doch dieses Leistungs-Plus kostet. Es ist vermutlich wie mit allem: Der VW Golf bringt mich von A nach B, der Maserati ebenso. Zwar schneller, sportlicher und stylischer – doch dafür muss ich richtig viel Geld investieren.
"Die Bikes sind ernstzunehmende Sportgeräte. Ausgereift. Wenn’s nicht um den letzten Sekundenbruchteil geht, sind die Dinger auch race-ready und komplett ausreichend für Einsteiger, Hobby-Biker bis zum Amateur-Racer. Die Federelemente sind mittlerweile echt gut. Klar, die teuren Modelle haben viel mehr Einflussmöglichkeiten. Da kann ich einstellen, dass die ersten zwei Drittel des Federwegs schneller ausfedern und das letzte Drittel mehr gedämpft wird. Mit den einfachen Elementen geht das nicht. Hier kann ich die Dämpfung nur über die ganze Länge einstellen. Mit dem Ergebnis, dass der Dämpfer in der Hälfte des Federwegs zu langsam ist und zu springen beginnt. Doch um das zu spüren, brauchst du wirklich Erfahrung. In meinem ersten World-Cup-Jahr wäre mir das gar nicht aufgefallen."
Die Testergebnisse dieser Big Bikes gibt's unten als PDF-Download:
• Canyon Torque DHX 2014
• Radon Swoop 210 7.0 2014
• Rose The Unchained 2014
• Votec VF 195 Comp 2014
• YT Tues 2.0 2014
Dieser Test ist in der FREERIDE-Ausgabe 2/2014 erschienen.
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