Gitta Beimfohr
· 01.09.2019
Mehr Federweg und neue Geometrie: Das neue Juliana Joplin hat sich vom Cross Country- zum Trailbike gemausert. Damit sollen nicht mehr nur die Uphills, sondern auch die Abfahrten mehr Spaß machen.
Da Santa Cruz derzeit seine komplette Bike-Palette umbaut, bekommen auch die Frauen-Bikes der hauseigenen Marke Juliana einen neuen Anstrich. Nach der Neugestaltung der Juliana-Modelle Maverick und Roubin rollt nun auch das Joplin mit Facelift in die Shops. Das bisher recht sportlich ausgelegte Fully (120/110 mm) mit 29 Zoll-Laufrädern beeindruckte vor allem durch Antriebsstärke und gute Klettereigenschaften. Bergab waren dem Bike wegen seiner 110 Millimeter Federweg am Heck natürliche Grenzen gesetzt. Doch das soll sich mit dem neuen Modell nun ändern.
Das Juliana Joplin 2020 mit Trail-Upgrade
Ab sofort bietet das Juliana Joplin 130 Millimeter Federweg vorne und 120 Millimetern Hub am Heck. Damit schiebt sich das Bike vom Marathon- in den Trail-Einsatzbereich vor. Der Dämpfer wurde, wie bei allen neuen Santa Cruz- und Juliana-Modellen, tief nach unten ins Rahmendreieck versetzt. Das soll für einen tieferen Schwerpunkt und eine sattere Kurvenlage sorgen. Dazu soll der Lowerlink-VPP-Hinterbau Antriebseinflüsse noch weiter minimieren.
Für ein Trailbike auffallend flach und Enduro-verdächtig fällt der Lenkwinkel aus: 65,5 Grad. Doch in Kombination mit dem steilen Sitzwinkel (76,3 Grad), 430-440 Millimeter langen Kettenstreben (per Flipchip um 10 mm verstellbar!) und einem relativ langen Reach von 450 Millimetern in Größe M soll das Bike seine Wendigkeit behalten, immer noch gut klettern, agil durch Spitzkehren steuern und gerade für lange Ausritte perfekt geeignet sein. Auffallende Werte hat das Bike übrigens in Sachen BB Drop: Bei einer Absenkung von 38 oder sogar 41 Millimetern könnte man beim Pedalieren in technischem Terrain mit den 175 Millimeter langen Kurbeln (Bike-Größe M) schnell mal aufsitzen.
Der Testparcours: Dänemark
Erstmalig testen durften wir das außergewöhnliche Bike auf ausgesprochen außergewöhnlichem Terrain, nämlich in Dänemark. Genauer gesagt in Slettestrand in der Jammerbucht, im Nordwesten von Jütland. Hier haben die Eiszeitgletscher aus dem Norden parallel zum langen Sandstrand eine Hügelkette aufgeschoben. 50, vielleicht 60 Meter hohe Wald- und Wiesenkuppen. Lange, konstante Anstiege kann man das Joplin hier also nicht hochjagen. Dafür haben die Locals von Mountainbike Slettestrand hier vor zehn Jahren damit begonnen, Trails in die Hügel zu bauen und auszuschildern. Unser Testparcours besteht daher aus etwa 20 Kilometer langen, engkurvigen Trail-Runden im stetigen, teils steilen Auf und Ab. Der Untergrund wechselt dabei zwischen nassem bis staubigem Sand und wurzeligem Wald- und Wiesenboden. Perfekt um die Wendig- und Spritzigkeit eines Trailbikes zu testen.
Das Juliana Joplin bergauf
Mit 1,70 m Körpergröße sitzt es sich auf dem Joplin in Größe M sehr bequem (bis Körpergröße 1,75 m). Nicht zu aufrecht, nicht zu gestreckt – trotz relativ langem Reach von 450 Millimetern. Der 770 Millimeter breite Lenker vermittelt: alles im Griff. Dämpfer-Einstellung: im welligen Terrain am besten mit Plattform. Leider ist der Plattformhebel, am tief liegenden Dämpfer, im Sattel sitzend nicht zu sehen. Die Trinkflasche verdeckt die Sicht von oben. Man kann die drei Einstellungen Auf – Plattform – Zu zwar auch relativ schnell ertasten. Aber das Problem wäre gelöst, wenn der Flaschenhalter etwas weiter oben im Rahmendreieck angebracht wäre. Etwas Platz dafür wäre noch vorhanden.
In der Ebene rollt das Bike gut an und mit straffem Antritt sind die großen Laufräder schnell in Schwung gebracht. Dank eines Regenschauers haben die Sandtrails eine feste Oberschicht. Damit können die Maxxis-Reifen gut arbeiten. Ein Gefühl, als fahre man auf einem Teppich aus Samt. Weich, aber fest. Nur in Kurven spürt man einen minimalen Seitwärtsrutscher. Aber die Sandtrails trocknen schnell. Die bald tieferen Sandkurven muss man mit den 2,3 Zoll breiten Reifen dann schon sehr gefühlvoll nehmen. Platz hätte der Rahmen übrigens für bis zu 2,6 Zoll breite Reifen. Kurze Rampen überklettert das Joplin problemlos, selbst wenn sie von bis zu zehn Zentimeter hohen Wurzeln durchzogen sind – Gabel und Dämpfer schlucken solche Unebenheiten sehr sensibel weg, wenn man letzteren offen fährt. Typisch für Trailcenter, so auch hier in Slettestrand, sind die in engen Serpentinen angelegten Trails bergauf. Selbst die nimmt das Joplin elegant und ohne anzuecken. Erwähnenswert weit über den Lenker beugen muss man sich in den Rampen übrigens nicht. Zur Not ließen sich die Kettenstreben aber per Flip-Chip noch um einen Zentimeter verlängern. Das soll für mehr Laufruhe und noch mehr Traktion im Anstieg sorgen.
Das Juliana Joplin bergab
Die Abfahrt zählte bisher nicht gerade zur Paradedisziplin des Joplin. Doch das sollen die 10 Millimeter mehr Federweg und die auf Enduro getrimmte Gesamterscheinung ja nun richten. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit die Geometrie mittels Flipchip Richtung Downhill zu trimmen. Allerdings dürften nur hochsensible Fahrerinnen den dann um 0,2 Grad abgeflachten Lenkwinkel wirklich spüren. Das dann auch tiefergelegte Tretlager dagegen schon eher. In der Low-Position ändert sich die Tretlagerabsenkung dann nämlich von 38 auf bemerkenswerte 41 Millimeter. Ein Aufsetzen in sehr technischem Gelände ist damit recht wahrscheinlich. Wir haben uns die Umbaumaßnahme jedenfalls gespart, da die dänischen Küstenhügel kaum technische Hindernisse aufwerfen. Wirklich an seine Grenzen konnten wir das Joplin daher nicht bringen. Über die vorhandenen Wurzeln und kleineren Stufen schwebt das Bike selbst im Plattform-Modus einfach hinweg. In schnelle, enge Kurvenkombinationen muss man das eher laufruhige Bike allerdings schon aktiv drücken, doch dafür behält es in Schlüsselstellen die Nerven. Mitten im Wald galt es nämlich doch noch ein etwa zehn Meter tiefes Steilstück bergab zu überwinden. Und gleich im Anschluss eine Rechtskurve mit Felsbrocken-Wurzelparcours, in den man filigran einfädeln musste. Also Hebel ertasten und den Dämpfer ganz öffnen. Anfahrt über Wurzeln, Absprung, Landung und anschließendes Zirkeln durch die Felspassage zieht das Joplin selbstbewusst, ohne Anschlaggefühle durch. Kleine Fahrfehler seiner Pilotin bügelt es dabei gutmütig aus. Dank VPP-Hinterbau fühlt sich das Heck definitiv nach mehr als 120 Millimeter Federweg an. Das vermittelt insgesamt ein sattes, sicheres Fahrgefühl. Trotzdem wäre es interessant, wie sich das Bike auf langen, steinigeren Alpenabfahrten schlägt. Dann kämen auch die 180er-Bremsscheiben mal voll zum Einsatz. Eine Testfahrt, die unbedingt noch aussteht.
Apropos Alpeneinsatz: Laut Juliana ist das Joplin gerade für lange Ausfahrten wie gemacht. Von der bequemen Sitzposition, seiner Antriebsstärke und seiner Gutmütigkeit in technischen Abfahrten her können wir das nur unterschreiben. Allerdings wiegt das Bike laut Hersteller nur in der CC-Highend-Version 12,66 Kilo (ohne Pedale). Das wäre zum Beispiel auf einer Alpenüberquerung gewichtsmäßig noch stemmbar. Preislich aber vielleicht eher weniger: 7199 Euro kostet das Highend-Joplin (nur der Rahmen: 3199 Euro).
Zu haben sind noch zwei günstigere Carbon-Varianten mit einfacherer Ausstattung, was sich aber auch aufs Gewicht niederschlägt: 5299 Euro/13,4 kg und 4599 Euro/13,78 kg (o. P.).
Mit den beiden Aluversionen (ohne Kettenstreben-Verlängerung) wird man dagegen vielleicht im Mittelgebirge noch Spaß haben, auf einer Alpenüberquerung mit langen Anstiegen und dickem Rucksack eher nicht: Die beiden verfügbaren Alu-Versionen für 3699 Euro und 3199 Euro wiegen schlappe 14,58 beziehungsweise 14,76 Kilo (o. P.).
Alle detaillierten Infos zum Bike: www.julianabicycles.com
Pics: Max Schumann