Fatbikes für MountainbikerFür wen lohnt der Umstieg?

Peter Nilges

 · 27.08.2016

Fatbikes für Mountainbiker: Für wen lohnt der Umstieg?Foto: Scott Markewitz
Fatbikes für Mountainbiker: Für wen lohnt der Umstieg?

Fatbikes bleiben wohl ein Nischenprodukt. Dennoch haben sich Angebot und Nachfrage als feste Größe etabliert. Wer mit einem Pummelchen liebäugelt, sollte Folgendes beachten...

Die Eurobike hat es gezeigt, die Interbike-Messe in Vegas sowieso. Der vor zwei Jahren angefachte Fatbike-Boom glimmt solide weiter, auch wenn man bei diesem Nischenprodukt wohl kaum von einem Flächenbrand reden kann. Dennoch haben sich die Spezial-Bikes als feste Größe etabliert, wie das mittlerweile mehr als reichhaltige Angebot am Markt belegt. Wer noch kein Pummelchen in der Modellpallette hatte, zog als namhafter Hersteller spätestens für die anstehende Wintersaison nach. Auch der Teilemarkt in der Übergrößenabteilung floriert. Nie war das Angebot an Reifen, Felgen, Gabeln und Kurbeln größer als bislang.

Bis zu 100 Millimeter messen die 26-Zoll-Felgen in der Breite, die Reifen zwischen 4 und 4,8 Zoll – damit lässt sich bei Reifendrücken um 0,5 bar ein traktorartiger Grip erreichen. Durch die große Kontaktfläche sinkt der Reifen – egal ob auf Schnee, Sand oder Kies – weniger tief ein. Über Wurzeln und Steine schwebt man quasi hinweg, statt dagegenzufahren – Rollwiderstand, Komfort und Sicherheit im Gelände sind somit unschlagbar.

Aber natürlich stehen den Vorteilen auch schwerwiegende Nachteile gegenüber. So steht der Fahrspaß beim Fatbiken in einem direkten Zusammenhang mit dem Gewicht. Unterschiede von bis zu vier Kilo brachte der große
Vergleichstest in BIKE 1/2014
zu Tage. Zentrales Thema bei Gewicht und Funktion eines Fatbikes sind die Reifen samt Laufräder. Auch hier gibt es drastische Unterschiede von über zwei Kilo, was die Agilität immens beeinflusst. Ganz signifikant beeinflussen auch der Reifendruck und die Beschaffenheit des Reifens die Fahreigenschaften. Zu großer Luftdruck macht den Gripvorteil zu nichte – Kontrolle und Komfort sind dann passé. Eine weitere Besonderheit ist der Q-Faktor. Um die breiten Reifen im Rahmen zu integrieren, müssen die Kurbeln zwangsläufig nach außen wandern. Wer normal breite Kurbeln gewohnt ist, kann bei den zwei bis fünf Zentimeter breiteren Fatbike-Kurbeln auf längeren Touren Knieprobleme bekommen.

Foto: Markus Greber


ALU ODER CARBON

Wie bei jeder anderen Bike-Gattung bestimmt das Portemonnaie das Gewicht eines Bikes. Sobald Carbon ins Spiel kommt, egal, ob beim Rahmen, den Felgen oder Anbauteilen, wird es leichter, aber schnell auch exorbitant teuer. Macht der Aufpreis beim Rahmen Sinn?

Ein leichter Fatbike-Hardtail-Rahmen aus Alu bringt etwa 1850 Gramm auf die Waage. Im Vergleich dazu wog der leichteste Carbon-Rahmen in unserem letzten Vergleichstest 1629 Gramm. Ein verhältnismäßig kleiner Unterschied. Neue Rahmen (z. B. von Fatback oder Specialized) sollen allerdings schon um 1300 Gramm wiegen. 500 Gramm Gewichtseinsparung sind also möglich, wenn man sich für Carbon als Rahmenmaterial entscheidet. Ob das Sinn macht, hängt vom Budget ab. Wer nicht aus dem Vollen schöpfen kann, muss sich entscheiden, mit welchen Mitteln er am Gesamtgewicht feilt. Deutlicher als am Rahmen kommt die Gewichtsersparnis bei den Laufrädern zum Tragen.


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WAS BIETET DER FATBIKE-MARKT?

Der Markt der Fatbikes gliedert sich im Prinzip in drei unterschiedliche Gattungen:
1. Die komplett ungefederten Modelle mit Starrgabel.
2. Hardtails mit Federgabel.
3. Vollgefederte Fatbike-Modelle.
Neben dem Preis ist bei der Frage nach dem richtigen Dickerchen selbstverständlich der Einsatzzweck maßgebend. Wer mit dem Fatbike nicht nur am Strand oder durch schneebedeckte Landschaften treckern will, braucht zumindest eine Federgabel, die Ruhe bringt.


1. Hardtail mit Starrgabel:
Beispiel Specialized Fatboy

Beim Thema "besonders leicht" oder "besonders günstig" führt kein Weg an der Starrgabel vorbei. Ersteres erreicht das 6999 Euro teure Fatboy S-Works von Specialized mit einem Gewicht von nur 11,3 Kilo inklusive Carbon-Felgen. Im Vergleich zur meist verbreiteten Fatbike-Federgabel Rock Shox Bluto spart eine rund 700 Gramm leichte Carbon-Starrgabel etwa 1,15 Kilo ein. Wer sein Fatbike mit Starrgabel irgendwann einmal mit einer Federgabel nachrüsten will, sollte auf jeden Fall auf eine kompatible Steckachse achten. Die Rock Shox Bluto basiert auf einer 15x150-Millimeter-Steckachse. Daneben sollte der Rahmen auch mit der meist größeren Einbaulänge einer Federgabel harmonieren.


Einsatzbereiche: Eine Starrgabel macht nur auf gemäßigten Wegen Sinn. Fürs Gelände eignen sich solche Modelle nur sehr bedingt. Eine Federgabel unterbindet effektiv das Flummi-Feeling der ungedämpften Reifen und bringt neben mehr Komfort einfach deutlich mehr Ruhe ins Fahrwerk.

  Specialized FatboyFoto: Hersteller
Specialized Fatboy


2. Hardtail mit Federgabel: Beispiel Canyon Dude

Bei den meisten Fatbikes am Markt handelt es sich um die Kombination Hardtail mit Federgabel. Je nach Ausstattung wiegen die Bikes ab 12,5 Kilo. Als Federgabel derzeit ist die Rock Shox Bluto (ca. 1850 Gramm) mit 80 bis 120 Millimetern Federweg erste Wahl. Preiswertere, funktionierende Federgabelmodelle gibt es nicht. Wer es exklusiver mag, bekommt neuerdings die steife Cannondale Lefty für Fatbikes oder die 1100 Gramm leichte Lauf Carbonara – allerdings ohne Dämpfung. Da die dicken Reifen bei nur 0,5 bar sehr sensibel auf Hindernisse reagieren, kann man Federgabeln an Fatbikes generell etwas straffer fahren.

Einsatzbereiche: Wer überwiegend im Gelände unterwegs ist, sollte auf keinen Fall auf eine Federgabel verzichten. Eine gedämpfte Federgabel unterbindet den Hoppeleffekt der großvolumigen Ballonreifen bereits wirkungsvoll. Wer will schon wie ein Flummi über die Trails bouncen?

  Canyon DudeFoto: Hersteller
Canyon Dude


3. Fully: Beispiel Alutech Fat Fanes

Fatbike-Fullys (z. B. von Maxx, Salsa, Bulls, 11Nine) sind eine noch recht seltene Spezies und wiegen meist zwischen 15 bis 18 Kilo. Auf Grund der engen Platzverhältnisse am Hinterbau kommen oft nur Reifen bis 4 Zoll zum Einsatz. Das Bucksaw Carbon von Salsa ist das erste Kohlefaser-Fully und soll in der Top-Ausstattung unter 14 Kilo bleiben. Generell stellt sich die Frage, ob ein eigentlich puristisches Fatbike, das vom Reifenkomfort statt aufwändiger Technik lebt, unbedingt vollgefedert sein muss. Wem Gewicht und Agilität egal sind, profitiert bei einem Fatbike-Fully jedoch von extrem viel Fahrkomfort und Reserven, die selbst im verblockten Gelände eine gezielte Linienwahl unerheblich machen.


Einsatzbereiche: Schwieriges Gelände, maximale Traktion und Feder-Performance sind die Stichworte, die ein Fatbike-Fully charakterisieren. Die bevorzugte Richtung: bergab. Aktives Fahren und längere Anstiege lassen sich nur schwer realisieren.

  Alutech Fat FanesFoto: Hersteller
Alutech Fat Fanes


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WORAUF MUSS ICH ACHTEN?

Fatbikes erfordern nicht nur besondere Rahmenkonstruktionen, sondern auch spezielle Anbauteile. Felgen, Naben, Gabeln, Kurbeln und Umwerfer sind die Schnittstellen, die es an einem Fatbike zu beachten gilt.


Der Q-Faktor beschreibt den Abstand der Kurbeln. Damit die Kette am breiten Reifen vorbeilaufen kann, müssen die Kurbeln zwangsläufig weiter auseinander liegen. Während sich normale Kurbeln in einem Bereich von 164–174 Millimeter bewegen, fangen die schmalsten Fatbike-Kurbeln (Salsa, E13) bei 196 Millimetern an und können bis 225 Millimeter gehen. Ein breiter Q-Faktor kann Knieprobleme verursachen. Auf Knöchelfreiheit achten.

  Der Q-FaktorFoto: Georg Grieshaber
Der Q-Faktor


Steckachse Wie bei allen anderen Bikes profitieren auch die Fatbikes von der höheren Steifigkeit einer Steckachse. Während die Bluto-Federgabel von Rock Shox mit einer 15x150-Millimeter-Achse kommt, gibt es am Hinterbau zwei gängige Maße in Verbindung mit einer Steckachse. 12x177 oder 12x197, was sich oft an der empfohlenen Reifenbreite von eher schlanken 4 Zoll oder super fetten 4,8 Zoll orientiert.

  Die SteckachseFoto: Georg Grieshaber
Die Steckachse


1fach oder 2fach? Einfach-Antriebe sind bei Fatbikes sehr beliebt, weil die dicken Reifen kaum Platz für Kette und Umwerfer lassen. Da der Außendurchmesser eines Fatbikes auf 29er-Niveau liegt, darf der Klettergang keinesfalls zu groß ausfallen. Wer den Traktionsvorteil auch in steilen Uphills nutzen will, sollte nicht mehr als 28 Zähne montieren. Mit Zweifach-Kurbel und Umwerfer-Adapter ist ein 22er-Kettenblatt die noch bessere Wahl.

  1fach oder 2fach?Foto: Georg Grieshaber
1fach oder 2fach?


Reifen Traditionell fahren Fatbikes auf 26-Zoll-Laufrädern, die in Verbindung mit 4,8 Zoll breiten Reifen sogar normale 29er im Durchmesser überragen. Um das Gewicht der außen sitzenden, rotierenden Masse gering zu halten, bietet Trek optional für sein Fatbike Farley auch 27,5x4-Zoll-Laufräder und Reifen an. Bei einem Reifengewicht zwischen 1 1,7 Kilo sollten Sie auf leichte Exemplare mit besonders flexibler Karkasse (120 TPI) achten.

  ReifenFoto: Georg Grieshaber
Reifen


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ALTERNATIVEN

Doch ein bisschen zu fat? Oder eben zu schwer für den Touren-Einsatz? Dann bietet die Bike-Branche Alternativen.

Man kann von E-Mountainbikes halten, was man will. Doch wenn schon, dann macht die E-Unterstützung in den Fatbikes Sinn. Durch die dicken Knubbelreifen ist bei Fatbikes nicht nur Traktion, sondern oftmals auch Gewicht en masse vorhanden. In Kombination mit der E-Unterstützung lässt sich der Grip-Vorteil daher auch bergauf mit Leichtigkeit nutzen. Nachteil: E-Fatbikes wiegen gerne über 22 Kilo.

  E-FatbikesFoto: Hersteller
E-Fatbikes

Wer den besseren Grip und Komfort von dickeren Reifen nutzen will, aber die Nachteile wie Gewicht und breiterer Q-Faktor scheut, der sollte sich etwas intensiver mit den Mountainbikes im neuen Plus-Format beschäftigen. Mit 2,8–3,25 Zoll breiten Reifen liegen die Plus-Bikes näher am normalen MTB und fahren sich spürbar agiler. Besonders in anspruchsvollem Terrain bieten sie aber mehr Komfort, Traktion – und damit Sicherheit. Das Angebot an Hardtails und Fullys ist bereits jetzt sehr groß.

  Mountainbikes im Plus-FormatFoto: Hersteller
Mountainbikes im Plus-Format


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WO STECKT TUNING-POTENZIAL?

Reifen sind der entscheidende Faktor an einem Fatbike. Um das volle Potenzial zu nutzen, muss der Reifendruck akribisch eingestellt werden. 0,1 bar sind bei einem Fatbike bereits ein großer Unterschied. Nutzen Sie daher unbedingt einen digitalen Luftdruckprüfer.


Tubeless Nicht nur die Reifen, sondern auch die Schläuche bringen mit 400–600 Gramm (pro Stück) einiges auf die Waage. Zum Glück gibt es bereits tubeless-fähige Reifen, die sich mit rund 150 Milliliter Latexmilch abdichten lassen. Da es derzeit noch keine speziellen Tubeless-Kits für Fatbikes gibt, muss man die oft löchrige Felge mit einem breiten, luftdichten Klebeband abdichten. Beim Aufpumpen ist ein starker Kompressor gefragt, bis die breiten Reifen mit recht losem Sitz sauber auf die Felge springen. Mit dieser Tuning-Maßnahme sind bis zu 900 Gramm Ersparnis drin. Manche Reifenhersteller arbeiten bereits mit Hochdruck an leichteren Schläuchen um 150 Gramm.


Spikes Ursprünglich wurden Fatbikes entwickelt, um dort zu biken, wo eine Fortbewegung mit normalen Mountainbikes unmöglich ist – Schnee, Sand, tiefer Schmodder. Während die dicken Reifen auf kompaktem Schnee noch ziemlich guten Grip bieten, ist bei Glatteis ebenfalls Feierabend. Für diesen Einsatzbereich hat die Reifen Branche spezielle Spike-Reifen entwickelt. Zum Beispiel den Dillinger 5 von 45NRTH. Mit feiner, faltbarer 120-TPI Karkasse und 258 Alu/Karbid-Spikes für 250 Euro (pro Reifen).

  Reifen fürs TuningFoto: Hersteller
Reifen fürs Tuning


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"Ich mag an Fatbikes das Hovercraft-Gefühl." – Interview mit Michael Staab, Produktmanager Canyon


Für welchen Einsatzzweck siehst Du das Fatbike?
Für mich ist das Fatbike kein spezielles Winter-Bike, sondern vielmehr ein Trailbike. Mit den richtigen Eckdaten lässt es sich sehr breitbandig einsetzen. Und auch wenn ich es sachlich gar nicht richtig begründen kann, macht mir das Fatbiken extrem viel Spaß.


Auf welche Punkte sollte man bei einem Fatbike besonders achten?
Das Gewicht, insbesondere das der Laufräder, ist extrem wichtig und beeinflusst das Fahrverhalten enorm. Mir reicht ein 4-Zoll-Reifen. Die Mehrtraktion eines breiteren Reifens benötige ich persönlich nicht, dafür spüre ich aber das höhere Gewicht. Ein schmaler Q-Faktor macht ebenfalls Sinn. Bei manchen Fatbike-Kurbeln ist zudem die Knöchelfreiheit sehr gering.


Stehen die Plus-Bikes nicht in direkter Konkurrenz zu einem Fatbike?
Plus hat mit Fatbikes nicht das Geringste zu tun. Die Unterschiede sind zu groß. Ich mag am Fatbike das Hovercraft-Fahrgefühl. Durch den niedrigen Reifendruck schwebt man fast über den Trail und rollt daher unglaublich leicht im Gelände. Dieses Gefühl ist bei Plus-Bikes deutlich geringer ausgeprägt. Dagegen haben aktivere Fahrer mit den agileren Plus-Bikes mehr Spaß.

Foto: Hersteller


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