Max Fuchs
· 25.07.2022
Extravagante Geometrie, zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten und lokale Fertigung – das neue Nicolai Saturn 16 weckt Begierden in vielerlei Hinsicht. Ob das Konzept auch auf dem Trail aufgeht?
Nicolai hat sich in der Bike-Branche längst seinen Kultstatus gesichert: Liebhaber der Maschinenbaukunst und Custom-Fans bewundern seit jeher die Alu-Rahmen mit ihren großen und fast symmetrisch verlaufenden Schweißraupen. Zusammen mit den in Lübbrechtsen gefrästen CNC-Parts zeugen die Bikes von Firmengründer Kalle Nicolai von echter Handwerkskunst. Doch auch dank der speziellen Geometrien – lang und flach – konnte Nicolai in letzter Zeit eine wachsende Fan-Gemeinde um sich scharen. Die Maße fallen oft so speziell aus, dass der Hersteller selbst behauptet, die Bikes eignen sich nicht für jedermann.
Das neue Enduro Nicolai Saturn 16 macht hier keine Ausnahme. Der 63,6-Grad-Lenkwinkel zählt angesichts des vergleichsweise kurzen Federwegs an der Gabel zu einem modernen Setup. Wirft man einen Blick auf den Reach, tanzt der Neuling endgültig aus der Reihe. Zum Vergleich: Die 502 Millimeter in Größe L übertreffen selbst das längste Enduro aus unserem Gruppentest in BIKE 2/22 um 18 Millimeter. Die Sitzposition bleibt aber trotzdem ausgewogen, weil der 76,9 Grad steile Sitzwinkel Biker und Bikerinnen vortriebsorientiert platziert – weit vorne und mit viel Druck auf dem Vorderrad. So bleibt die Front selbst in steilsten Anstiegen zuverlässig am Boden. Leider verleiht das hohe Gesamtgewicht dem Fahrerlebnis bergauf einen etwas faden Beigeschmack.
Dank Nicolais Custom-Programm zeigt sich der Newcomer dafür sehr wandelbar: Unterschiedlich lange „Mutatoren“ an den Sitzstreben des Hinterbaus passen das Heck für 29-Zoll- oder 27,5-Zoll-Laufräder an. In Zahlen ausgedrückt ermöglicht diese Technologie Kettenstreben in 438 (nur bei 27,5 Zoll), 447 oder 552 Millimetern Länge. Der Hinterbau an unserem Test-Bike stammt leider noch aus der Vorserie und verfügt über 447er-Kettenstreben und ein Laufrad in 27,5 Zoll. Der Federweg misst mit 65 Millimetern Dämpferhub knapp 157 Millimeter.
Auf dem Trail zeigt sich das Fahrwerk von der sportlichen Seite. Das Nicolai Saturn 16 will schnell und aktiv gefahren werden – erst dann kann man beim Fahrwerk von einem wirklich satten Fahrgefühl sprechen. Auf Biker mit passivem Fahrstil wirkt das Saturn 16 dagegen schnell etwas zu straff. Gleiches gilt für die Geometrie: Wer die Vorzüge der langen und flachen Maße ausschöpfen möchte, muss das Enduro mit viel Speed an den Grenzbereich führen. Wer dafür die nötige Fahrtechnik besitzt, bekommt mit dem Nicolai ein Bike mit unerschütterlicher Laufruhe. Enge Kurvenfahrten und Spielereien auf dem Trail verlangen dagegen viel Körpereinsatz, gelingen aber mit dem kleinen Hinterrad einfacher, als man erwarten würde.
Max Fuchs, BIKE-Redakteur: Das Nicolai ist ein sehr individuelles Enduro, das neben dem Konfigurator für die Ausstattung viele Möglichkeiten bietet, es technisch an den eigenen Fahrstil anzupassen. Die Zielgruppe beschränkt sich aufgrund der extremen Geometrie auf versierte Piloten oder richtet sich an Biker, die die Handwerkskunst von Nicolai zu schätzen wissen.
Allgemein
Messwerte
Ausstattung
Den vollständigen Testbericht finden Sie hier im Download:
Test 2022: Nicolai Saturn 16 aus BIKE 7/2022