Ludwig Döhl
· 05.04.2017
Mit dem neuen Jekyll will Cannondale den Enduro-Sektor aufmischen. Hier gibt's alle Infos zur neuesten Evolutionsstufe des Cannondale-Bikes und einen ersten Fahreindruck.
Wenn Cannondale ein neues Jekyll zeigt, erhöht sich der Pulsschlag vieler Biker. Die vergangenen Jekyll-Modelle trieben die Entwicklung von Mountainbikes stets auf das nächste Level. Bereits das Ur-Jekyll aus dem Jahr 2000 überzeugte mit eigenständigen Konzepten. Geometrie- und Federwegsverstellung waren damals revolutionär und gehören bis heute zum Markenzeichen der Jekyll-Gattung. Bei den aktuellen 2017er-Modellen verabschiedet sich Cannondale vom zuletzt verwendetem DYAD-Hinterbau-System mit Pull-Shock-Dämpfer. In der Bildergalerie mit allen Jekylls von Cannondale lässt sich der Fortschritt der vergangenen 17 Jahre gut nachvollziehen.
Cannondale platziert das Jekyll wie zuletzt im Enduro-Segement. Mit 170 Millimeter Federweg an der Gabel und 165 Millimeter Federweg am Heck präsentieren die Amerikaner ein Bike, das bedingungslos auf den Spaß in der Abfahrt ausgelegt ist. Mit einem langen Hauptrahmen (469 Millimeter Reach in Größe L), und extrem kurzen Kettenstreben (420 Millimeter) folgt das Jekyll dem aktuellen Geomtrie-Trend. Möglich werden derart kurze Kettenstreben durch den asymmetrischen Hinterbau. Cannondale nutzt den Boost-Standard geschickt und verlagert den Antriebsstarng drei Millimeter weiter nach rechts als üblich. So bleibt genügend Platz für breite Reifen, trotz kurzer Kettenstreben. Das Hinterrad wird dafür, wie bei aktuellen Liteville-, FSI- oder Scalpel-Bikes, außermittig zentriert. Eingebaut im asymmetrischen Hinterbau läuft das Hinterrad in der Flucht zum Vorderrad. Alle Jekyll-Bikes können ausschließlich mit einem Einfach-Antrieb gefahren werden, verfügen dafür aber über eine ISCG-Aufnahme für Kettenführungen. Nur das Topmodell (Jekyll 1) bekommt neben dem Carbon-Hauptrahmen auch einen Carbon-Hinterbau. Bei den günstigeren Modellen kommt ein Aluminium-Hinterbau zum Einsatz, beim Jekyll 4 sogar ein kompletter Aluminium-Rahmen. Der Carbon-Rahmen des Topmodells wiegt laut Cannondale 2300 Gramm in Größe M (ohne Dämpfer). Bei der Konstruktion haben die Ingenieure vor allem auf Langlebigkeit und Steifigkeit geachtet. Das Jekyll 1 (Bild) soll ohne Pedale und mit tubeless montierten Reifen 12,8 Kilo auf die Waage bringen.
Fans der Lefty-Gabel wird 2017 eine Träne über die Backe rollen, denn alle Modelle sind mit herkömmlichen Fox-36-Gabeln bestückt. In Cannondale-Bikes mit mehr Federweg kommt die Leftty mit ihrem einen Gabelarm nicht mehr zum Einsatz.
Größter Unterschied zum Vorgänger: Cannondale löst das alte DYAD-Dämpfungssystem mit Pull-Shock-Dämpfer durch herkömmliche Push-Shock Dämpfer ab. In exklusiver Zusammenarbeit mit Fox entstand das neue Gemini-System zur Federwegsverstellung. Über einen Hebel am Lenker lässt sich das Luftvolumen am Dämpfer um 20 Prozent verkleinern. Die Folgen: Statt 165 Millimeter Federweg im Flow-Modus stehen dann nur noch 130 Millimeter Federweg zur Verfügung. Durch die verkleinerte Luftkammer im „Hussle“-Modus wird der Hinterbau spürbar progressiver, der Sag verringert sich um ca. fünf Millimeter, das Tretlager wird ca. zwölf Millimeter angehoben und der Lenkwinkel wird etwas steiler. Der Dämpfer bleibt jedoch vollkommen aktiv. Mit seiner strafferen Charakteristik eignet sich der „Hussle“-Modus mit weniger Federweg für flachere Trail-Passagen oder für Anstiege. Zusätzlich zu den zwei unterschiedlichen Fahrmodi können mit einem Hebel am Dämpfer noch die gewohnte Fox-CTD-Plattform verstellt werden. Der verbaute Dämpfer hat ein normales metrisches Einbaumaß, kann also später auch durch ein herkömmliches Modell ersetzt werden. Der Gemini-Dämpfer kommt auch beim Cannondale Trigger zum Einsatz.
Neben dem Topmodell Jekyll 1 (7749 Euro) gibt es auch günstigere Varianten mit Aluminium-Hinterbau.
Das Jekyll 2 kommt mit einem Fox Performance-Fahrwerk und kostet 5999 Euro.
Beim Jekyll 3 wird auf eine Eagle 1x12-Schaltung verzichtet, der Preis liegt bei 4199 Euro.
Die Alu-Version des Jekyll 4 kostet 3199 Euro. Alle Bikes – mit Ausnahme des Alu-Jekyll – sind ab sofort bei Cannondale-Händlern verfügbar.
Bei einer ersten Fahrt auf den Trails rund um Finale Ligure überzeugte das Jekyll 1 mit direktem Handling. Das Carbon-Chassis setzt jede Bewegung des Fahrers direkt auf den Trail um, ein 35 Millimeter kurzer Vorbau unterstreicht das direkte Fahrgefühl zusätzlich. Die extrem kurzen Kettenstreben laden förmlich zur Fahrt auf dem Hinterrad ein. Selbst engste Kurven meistert das neue Cannondale Jekyll mit Bravour. In rauen Steinfeldern verrichtet das Fox-Fahrwerk seine Arbeit gewohnt solide. Der lineare Hinterbau schluckt selbst größere Schläge problemlos weg. Die breiten 2,5er Maxxis-Reifen bringen zusätzlich viel Sicherheit in der Abfahrt. Auch wenn der „Hussle“-Modus theoretisch auf dem Trail genutzt werden kann, haben wir ihn nur bergauf verwendet. Das straffere Fahrwerk ist dann deutlich spürbar und lässt einen effizienter klettern.
Mit dem eigenständigen Gemini-Fahrwerk bleibt Cannondale seiner Federwegs- und Geometrie-Verstellung per Lenkerhebel treu. Erfreulich ist, dass im Gegensatz zum Vorgänger auch normale Dämpfer verbaut werden können. Auf den Trails hinterlässt das Jekyll einen guten ersten Eindruck. Direktes Handling und schluckfreudiges Fahrwerk mit 170 bzw. 165 Millimeter Federweg machen die Cannondale-Neuentwicklung zu einer echten Spaßmaschine bergab. Wir sind auf den ersten Vergleichstest mit anderen aktuellen Enduro-Bikes gespannt.
Die Entwickler und Produktmanager von Cannondale erklären die Gedanken hinter den neuen 2017er-Bikes.