Christoph Listmann
· 09.06.2016
Das Votec VE spricht mit 170 mm Hub und Preisen ab 2599 Euro preisbewusste Biker an, die es bergab gerne krachen lassen. Die Geometrieverstellung verwischt die Grenze zwischen Enduro und Freeride.
Das Votec VE gibt sich flexibel. Enduro oder Freerider? Hinten 160 Millimeter oder lieber 170? Flache oder eher steilere Winkel? Bei Votec hat man die Wahl. Eine Geometrie- und Federwegsverstellung mittels Flip-Chip an der Dämpfer-Wippe macht's möglich. Ändert man beispielsweise den Flip-Chip von der High- in die Low-Position, flachen Lenk- und Sitzwinkel um 0,5 Grad ab und das Tretlager wandert um fünf Millimeter nach unten. Noch flacher wird die Geometrie mit einer 180-mm-Gabel der Modellvarianten Elite und Evo. Unser Testbike kam zusätzlich mit den bei der Produktvorstellung auf der Eurobike 2015 noch vorgesehen klebrigen Downhill-Reifen, die den Einsatzbereich eindeutig in Richtung Freeride und Bikepark verlagern.
Eine Fokussierung, die wohl auch in den Augen der Votec-Produktmanager für die breite Masse etwas zu weit über's Ziel hinaus ging. Ausgeliefert wird das Votec VE inzwischen mit anderen Reifen: Schwalbe Magic Mary vorne und Hans Dampf hinten, jeweils mit Snakeskin-Karkasse und Trail-Star-Mischung. Die sparen gegenüber den Super-Gravity-Versionen gut 400 bis 500 Gramm an den Laufrädern ein, sind flexibler und rollen leichter. Wir hatten bereits die Möglichkeit, das Einstiegsmodell Votec VE Pro zu testen.
Der Preis ist heiß: 2599 Euro ruft Votec für sein Einsteiger-Enduro auf – das ist eine verführerische Summe. Denn wie vom Direktvertrieb gewohnt, kriegt man hier viel Bike fürs Geld. Die Ausstattung wirkt vollständig, funktionell robust. Alu-Rahmen und Gabel besitzen schon den neuen Boost-Standard.
Auf den zweiten Blick entdeckt man Schwächen des Konzepts: Bergauf sitzt man selbst auf dem von uns getesteten Rad der Größe L eher aufrecht denn sportlich. Das Fahrwerk verhält sich unter Kettenlast zwar unauffällig, dennoch haben wir den Plattformhebel am Dämpfer für effizienteres Klettern vermisst. Den gibt es erst am Monarch Plus RC3 des nächstteureren Elite-Modells für 3099 Euro.
Was soll’s, eine Bergziege wird aus dem 15 Kilo schweren VE Pro so oder so nicht, hier geht es um Fahrspaß bergab. Griffige Reifen, breite Felgen und das langhubige Fahrwerk lassen da keine Zweifel aufkommen. In steilen und verblockten Trail-Abschnitten spielt das Bike dann wie geplant seine Vorteile aus und saugt grobe Hindernisse unterhalb des Piloten zuverlässig auf.
Aber: Fünf Kilo wiegen die Laufräder komplett mit den fetten Magic Marys (hohe, ungefederte Masse!), die Super-Gravity-Karkasse fühlt sich in Verbindung mit dem Schlauch sehr starr an. Selbst die eigentlich gut dämpfende Vert-Star-Mischung gleicht das nicht aus. Kleinere Schläge dringen durch das Fahrwerk in die Hand- und Fußgelenke. Wird es eng und verwinkelt in der Abfahrt, lässt sich das VE Pro nur mit Nachdruck von Kurve zu Kurve bewegen. Enduro-mäßig ist das nicht (Tipp: Tubeless montieren). Zum echten Freerider wird das Bike, wenn man den Hinterbau auf 170 mm Federweg umbaut und eine 180er-Gabel montiert. Votec bietet das ausdrücklich an.
Fazit: Viel Bike fürs Geld. Aber: Für ein Enduro ist das Votec VE Pro zu schwer und träge. Durch die Reifenwahl und mit seiner Geometrieverstellung passt das Votec in der getesteten Version besser ins Freeride- und Bikepark-Segment.