Christoph Malin
· 01.04.2018
Die Nachfrage nach E-MTBs ist groß, manch begehrtes Modell ist bereits vergriffen. Da wird der Gebrauchtmarkt zur Alternative. Doch bei komplexer Technik aus 2. Hand ist Vorsicht geboten.
Da war es, ein Haibike Nduro Pro, Größe "M" von Ende 2015. 180 mm Federweg, robuster Rahmen und starker Bosch-Motor, ein Klassiker, den Stefan, bayerischer Enduro-Biker, wochenlang auf Ebay gesucht hatte … Erstbesitz, auf den Fotos in sehr gutem Zustand. "Fast nur Stadtbetrieb von und zur Arbeit, SUV halt :), Akku ist wie neu, Antrieb erst kürzlich erneuert", schrieb der Verkäufer. Gesagt, getan, Treffen und (kostenpflichtige) Ankaufsprüfung bei einem Haibike-Händler vor Ort vereinbart. Erst dort stellte sich heraus, dass der Erstbesitzer an den Motorkontakten herumgepfuscht hatte (vermutlich Betrieb mit permanent montiertem S-Pedelec-Dongle). Ein Kontakt beschädigt. Der Akku war mit nur 180 Vollladungen laut Bosch-Systemdiagnose jedoch noch gut in Schuss, die 1650 Gesamtkilometer wichen allerdings etwas von der vom Erstbesitzers genannten Kilometerzahl ab. Weitere Mängel: Steuersatzknacken, Bremsbeläge, Bremsscheiben, Reifenverschleiß. Letztlich traf man sich preislich realistisch und fair. Gut, dass Stefan den Gebraucht-Check gemacht hatte!
DER MOTOR
• Motor-Tuning meint das unerlaubte Betreiben eines Pedelecs außerhalb der gesetzlich festgelegten 25-km/h-Grenze per Software oder per Hardware (Dongle). Zwar durch das Gesetz verboten, durchaus aber üblich. So stolpert man auch bei gebrauchten E-MTBs über vormals getunte Motoren, bei denen das Tuning aber rückgängig gemacht wurde. Die Fahrradhändler können das vor Ort nicht diagnostizieren, Hersteller wie Bosch im Garantiefall aber schon – über eine sogenannte Point-Cloud-Auswertung der Betriebsparameter (die der Motor über seine Lebensdauer mitloggt). Folge: Garantieverlust. Bei Regress muss man sich an den Verkäufer halten. Deshalb im Zweifelsfall schriftlich vom Verkäufer bestätigen lassen, dass der Motor nicht illegal betrieben wurde.
• Genau hinhören: Eine Probefahrt bzw. eine Vergleichsfahrt mit einem aktuellen Modell zeigt, ob ein Motor lauter ist als normal üblich. Alarmzeichen sind mahlende Geräusche aus dem Getriebe, oder wenn ein Motor mechanisch besonders laut ist. Allerdings muss auch gesagt werden, dass beispielsweise die neuesten Bosch-Performance-CX-Motoren aus aktueller Fertigung deutlich leiser und ruhiger laufen als selbst neue Motoren der Baujahre 2015 und 2016. Hier wurde intern viel optimiert. Dennoch: ein Motor, der wie eine Kaffeemühle klingt? Finger weg.
• Salzkorrosion: Diese kann ein Problem für Motorengehäuse sein, aber auch für die Steckkontakte am Motor zum Kabelbaum hin. Das kann nur durch eine Demontage der Herstellerblenden geprüft werden. Für Bosch, Brose und Shimano gibt es dazu ein spezielles Tool.
• Unterstützungswähler: Prüfen Sie, ob der Motorunterstützungswähler einwandfrei funktioniert, oder bei verschiedenen Stufen hängt oder nicht reagiert.
DER AKKU
• Lebensdauer: Nach 500 Ladezyklen verfügen moderne Li-Ion-Akkus noch über etwa 60–70 % der ursprünglichen Kapazität. Das Auslesen der Ladezyklen erfolgt mit dem Diagnose-Tool durch den Fachhändler. Dann kann grundsätzlich festgestellt werden, ob der Akku am Anfang, der Mitte oder dem Ende seiner Lebensdauer steht. Es gilt: voller Ladezyklus = Summe der Teilladezyklen (z. B. 2 x 50 % = 1 Vollladezyklus).
• Äußere Schäden: Achten Sie beim Akku auf äußere Schäden wie Risse am Gehäuse. Sturzgeschädigte Akkus sind umgehend zu tauschen und über den Fachhandel zu entsorgen.
• Lagerung: Wie wurde der Akku gelagert? Verlängerung der Lebensdauer erfolgt durch Lagerung bei 15–20° C im Ladezustand zwischen 40–60 %. Eine Minderung der Lebensdauer erfolgt durch Lagerung über 30° C, längere Lagerung in vollem oder leerem Zustand und das Abstellen des E-Bikes in der prallen Sonne.
ALLGEMEINER VERSCHLEISS
• Antrieb: Besonders der Antrieb unterliegt beim E-MTB hohem Verschleiß. Wann wurden Ritzel und Kette gewechselt?
• Federelemente: Gabel und Dämpfer sollten einmal pro Jahr einen Service vom Fachmann erhalten. Die Wartungsintervalle schreibt der Hersteller vor. Lassen Sie sich den Wartungsnachweis geben.
• Bremsanlage: Die Bremsflüssigkeit gehört regelmäßig getauscht. Die Wartungsintervalle schreiben die Hersteller vor. Lassen Sie sich auch hier den Wartungsnachweis geben. Beurteilen Sie die Funktion: Stellen die Kolben zurück? Wie ist der Druckpunkt, wie die Scheiben- und Bremsbelagsdicke?
• Reifen und Laufräder: Achten Sie auf den Zustand der Reifen. Sind Risse an der Karkasse sichtbar? Ist das Profil stark abgefahren? Prüfen Sie die Speichenspannung und den Allgemeinzustand (z. B. Felgendurchschläge).
• Lager: Prüfen Sie die Hinterbau- und Dämpferlagerung auf Spiel. Ebenso den Steuersatz. Wenn Sie nicht sicher sind, übernimmt der Fachhändler das für Sie.
• Rahmen: Prüfen Sie den Rahmen auf Risse oder Dellen. Prüfen Sie auch die Lackqualität auf Kratzer, die über normalen Gebrauch hinausgehen.