Laurin Lehner
· 30.10.2019
Wie entsteht eigentlich ein Mountainbike? Wir zeigen die Schritte – von der Idee bis zum fertigen Serienmodell. Hier anhand unseres Enduro-Testsiegers aus BIKE 12/18, dem Scott Ransom.
Angefangen wird mit einem weißen Blatt Papier? Nein. Viele Firmen überarbeiten ihre Modelle alle zwei Jahre. Neuentwicklungen bauen oft auf bestehenden Konzepten auf, brauchen aber dennoch Entwicklungszeit. Die große Schwierigkeit besteht darin, sich bereits zwei Jahre im Voraus festzulegen, was in Zukunft angesagt sein wird. Das betrifft das Konzept, die Bike-Kategorie, Laufradgröße, Rahmengeometrie etc.
Monat 3: Das Entwicklungs-Team hat sich grob geeinigt, was Federung und Geometrie angeht. Der Konstrukteur macht sich an die Kinematik, die Designer fertigen eine 3D-Zeichnung an. Der Rahmen bekommt ein "Gesicht". Bis zu 30 Versionen werden angefertigt. Nur eine schafft es zum nächsten Schritt.
Monat 4: Der Namen muss zur Produktpalette passen. Namensrechte werden patentiert. Die Kosten variieren, je nach Umfang. Z. B. der Name Scott Ransom ist weltweit in der Zweirad- und Automobil-Branche gesichert. Kostenpunkt pro Jahr: zwischen 20000 und 30000 Euro.
Monat 7: Der Konstrukteur reist samt CAD-Zeichnungen nach Asien. Jetzt wird die erste Fertigungsform für den Carbon-Rahmen gebaut. Hier entsteht der erste Prototyp. Eine Art Rohdiamand. Es folgt das Carbon-Layup – hierbei wird der Rahmen getestet. Wo Schwachstellen gefunden werden, wird das Material verstärkt.
Monat 10: Es werden die ersten fahrbaren Prototypen nach Europa verschickt und an Team-Fahrer ausgehändigt. Diese geben Feedback an den Konstrukteur. Geometrieänderungen sind jetzt nicht mehr möglich – stattdessen steht die Kinematik im Vordergrund. Arbeitet das Fahrwerk zu progressiv oder degressiv?
Monat 10: Bevor Räder in Serie gehen, müssen sie in einem unabhängigen Prüflabor getestet werden. Erst, wenn die Werte passen, wird das Zertifikat ausgestellt, und der nächste Schritt kann eingeleitet werden.
Monat 10: Die Anbauteile wie Reifen, Lenker, Kurbel, Schaltung, Bremse etc. müssen bereits jetzt festgelegt und bestellt werden. In schnelllebigen Zeiten wie diesen ist es nicht leicht, schon so früh zu wissen, was bei Erscheinung des Bikes gefragt sein wird. Die Kostenregulation spielt hier- bei auch eine wichtige Rolle. Währungsschwankungen machen oft Probleme – meist wird die Währung im Vorhinein eingekauft.
Monat 10: Nahezu zeitgleich zum Punkt "Prüflabor" wird über Design und Farbe entschieden. Auch hier besteht die Herausforderung darin, jetzt schon zu wissen, was in gut einem Jahr angesagt sein wird. Dafür schauen sich die Designer in Auto- und Modeindustrie um. Entschieden wird in der großen Runde. Die Gabel- und Felgen-Decors werden angepasst.
Monat 12: Der Schritt, der wohl mit dem höchsten Risiko verbunden ist: Wie viele Rahmen sollen bestellt werden? Wie gefragt Bikes sein werden, hängt z. B. von Magazintests oder der aktuellen Kauflust der Konsumenten ab. Wer zu viel bestellt, bleibt auf seinen Bikes sitzen. Folge: finanzielle Verluste.
Monat 14: Jetzt werden die finalen Fertigungformen in allen Größen festgelegt; S, M, L, XL Kostenpunkt: ca. 150000 Euro. Das dauert in der Regel bis zu drei Monate – erst dann kann final produziert werden.
Monat 20: Die Rahmen kommen per Container auf dem Schiffsweg an. Jetzt werden die Anbauteile verbaut. Der Händler bestellt in der Regel ein halbes Jahr vor dem Launch. Die Produkteinführung wird von der Marketing-Abteilung übernommen. Magazintester werden für Press-Camps eingeladen und können die Bikes erstmals fahren. Danach dauert es meist nicht mehr lange, bis das fertige Bike im Laden steht.
Diesen Artikel finden Sie in BIKE 1/2019. Die gesamte Digital-Ausgabe können Sie in der BIKE-App (iTunes und Google Play) lesen oder die Print-Ausgabe im DK-Shop nachbestellen – solange der Vorrat reicht: