Tobias Brehler
· 17.04.2018
Specialized setzt den All-Mountain-Klassiker Stumpjumer neu auf: Es gibt ein „normales“ Modell mit 150/140 Millimetern Federweg, ein Shorttravel mit 130/120 sowie ein Evo mit abfahrtslastiger Geo.
Kein anderes Bike-Modell hat den Sport so geprägt wie das Specialized Stumpjumper. Mike Sinyard, Gründer von Specialized, verkaufte 1981 das erste Serien-Mountainbike unter diesem Namen. Nach 37 Jahren stellen die Amis nun das neueste „Stumpi“ vor: Der Rahmen wurde für 2018 komplett neu entwickelt und bietet je nach Version zwischen 120 und 150 Millimeter Federweg.
Schon auf den ersten Blick fällt der asymmetrische Hauptrahmen auf: Änlich wie beim Downhill-Bike Demo befindet sich der Dämpfer unterhalb des Oberrohrs. Der asymmetrische Arm soll dafür sorgen, dass der Stumpjumper-Hinterbau steifer mit dem Hauptrahmen verbunden ist. Der FSR-Hinterbau quetscht je nach Modell zwischen 120 und 150 Milimetern Federweg aus dem Dämpfer. Die Dämpfer sind im Gegensatz zur aktuellen Baureihe nicht mehr mit einem Autosag-Ventil ausgestattet, der Umwerfer wird endgültig verbannt.
Als Specialized 2016 das aktuelle Stumpjumper vorstellte, überraschte der Bike-Hersteller die Fans mit einem Kofferraum im Rahmen: In der SWAT-Box (Storage, Water, Air, Tools) finden alle wichtigen Ausrüstungsteile Platz. Auch im neuen Carbon-Rahmen findet sich dieser Kofferraum, allerdings hat sein Volumen um 20 Prozent zugenommen. Das Multitool verschwindet im Steurrohr, ebenso wie der Kettennieter.
Auch an den Details haben die Specialized-Ingenieure gefeilt: Die Züge sollen sich dank neuer interner Führungen nun einfacher verlegen lassen, das Tretlager wird wieder in den Rahmen geschraubt. Per Flipchip kann das Tretlager um sechs Millimeter angehoben, der Lenkwinkel um ein halbes Grad steiler gestellt werden. Ein innovativer Kettenstrebenschutz aus Gummi soll Kettenklappern endgültig unterbinden. Außerdem stellt Specialized eine neue absenkbare Sattelstütze vor: Die Command Post kommt im 34,9-Millimeter-Durchmesser, bietet 160 Millimeter Verstellbereich (in Rahmengröße S nur 130) und hat keinen Versatz. Die Variostütze lässt sich in 16 Stufen absenken. Die neue Kettenführung soll die Kette an Ort und Stelle halten.
Das „normale“ Stumpjumper kommt mit 150er-Federgabel und 140-mm-Hinterbau. Alle Modelle stehen auf 2,6 Zoll breiten 29-Zoll-Reifen. Nur das Comp mit Alu-Rahmen wird es mit 27,5 x 2,6 Zoll breiten Reifen geben, es bietet 150 Millimeter Federweg am Heck. Generell sind aber alle Hauptrahmen sowohl für 27,5+ als auch 29 Zoll freigegeben. Die Geometrie der 29er-Modelle fällt modern aus, wenn auch der Reach auf dem Papier schrumpft: Obwohl der Reach in L „nur“ 445 Millimeter beträgt, wächst das Frontcenter (horizontaler Abstand Tretlager – Vorderradachse) dennoch. Der flache 66,5er Lenkwinkel verspricht Laufruhe, die 437 mm langen Kettenstreben sollten die Agilität erhalten.
Bisher nutzte das Trailbike Camber zwar den gleichen Hauptrahmen wie das Stumpjumper, fuhr sich aber eher wie das Racebike Epic. Das neue Camber heißt zukünfitg Stumpjumper ST („Shorttravel“) und soll sich mehr wie das All-Mountain fahren. Wer vom „normalen“ Stumpjumper auf die ST-Version wechseln möchte, muss nur die Gabel gegen eine 130-mm-Version tauschen und den Dämpfer samt Anlenkung wechseln. Der Hinterbau bietet dann 120 Millimeter. Das Stumpjumper ST wird es nur als 29er mit 2,3 Zoll breiten Reifen geben. Der Lenkwinkel fällt ein Grad steiler aus, der Reach einen Zentimeter länger.
Außerdem bieten die Amerikaner wieder ein abfahrtslastigeres Stumpjumper Evo an. Vorerst gibt es das Bike nur mit Alu-Rahmen. Die Geometrie fällt dabei deutlich radikaler aus: Der 63,5-Grad-Lenkwinkel ist für ein 29er extrem flach und verspricht Laufruhe satt. Es wird nur zwei Größen geben (S2, S3), die man je nach Fahrstil wählen kann. Das größere Evo verfügt über einen racigen 480er-Reach. Zudem haben die Entwickler das Steuerrohr bewusst kurz gehalten, damit auch kleinere Fahrer mit dem großen Bike zurecht kommen. Das Fahrwerk bietet vorne 150 Millimeter Federweg, hinten 140 mm.
Zum Vergleich: Des 29er Enduro hat je nach Einstellung einen 66er beziehungsweise 65,5er Lenkwinkel. In Rahmengröße L berträgt der Reach 462 Millimeter. Das Fahrwerk bietet mit den 29er Laufrädern 160 Millimeter Federweg. Den größeren Einsatzbereich dürfte das Enduro mit seiner etwas gemäßigteren Geometrie sowie dem Plus an Federweg haben.
Die Nomenklatur der einzelnen Modelle hat sich nicht geändert: Das 8999 Euro teure Topmodell S-Works verfügt über ein hochwertiges Fox Factory Fahrwerk, die Sram Eagle 12-fach Schaltung sowie Carbon-Laufräder. Ebenfalls erhältlich: Der S-Works-Rahmen einzeln. Für 5499 Euro bekommt man das Expert mit hochwertigem Rock Shox Fahrwerk, GX Eagle-Schaltung und ebenfalls Carbon-Laufrädern. Das Comp Carbon kostet „nur“ 3999 Euro, steht dafür aber mit einfacherem Fox Rhythm Fahrwerk, Shimano XT/SLX-Mix und absenkbarer Sattelstütze von X-Fusion beim Händler. Wer das Comp mit Alu-Rahmen für 2999 Euro kauft, kann zwischen 27,5 und 29 Zoll wählen. Das Alu-Comp hat ebenfalls ein Fox Rhythm Fahrwerk, einen Shimano XT/SLX-Mix und eine X-Fusion-Sattelstütze.
Auch vom Shorttravel gibt es die drei Modelle S-Works, Expert und Comp Carbon mit vergleichbarer Ausstattung wie beim „normalen“ Stumpjumper. Außerdem gibt es ein Einsteigermodell für 1999 Euro: Das Alloy steht (wie der Name suggeriert) mit Alu-Rahmen und einfacherer Ausstattung beim Händler. Vorne arbeitet eine Rock Shox Recon-Gabel, hinten ein X-Fusion-Dämpfer. Geschaltet wird mit einen Shimano-Sram-Sunrace-Mix, eine verstellbare Sattelstütze muss man bei Bedarf nachrüsten.
Die Damen hat Specialized natürlich nicht vergessen: Für sie stehen das ST Comp Carbon, das ST Comp sowie das ST Alloy beim Händler. Letzeres sowohl mit 27,5 als 29 Zöllern, die anderen Modelle nur mit 29-Zoll-Reifen. Alle Damen-Bikes verfügen über ein angepasstes Cockpit sowie einen extra abgestimmten Dämpfer.
Alle Stumpjumper-Modelle sind ab sofort erhältlich, nur die Evo-Kunden müssen sich noch ein wenig gedulden. Vorerst wird es die Abfahrts-Version Evo mit Fox Rhythm-Fahrwerk, Sram GX-Eagle sowie starken Code-Bremsen nicht in Deutschland geben.
Das Stumpjumper S-Works klettert im Gelände gut. Das liegt sowohl an den breiten Reifen als auch am FSR-Hinterbau, der dank geringen Antriebseinflüssen sogar unter starker Kettenspannung Stufen und Unebenheiten schluckt. Auf der Straße wippt der Hinterbau im Sitzen leicht, im Stehen pumpt er ein wenig. Hier schafft bei Bedarf die Dämpfer-Plattform Abhilfe. Die Sitzposition ist angenehm komfortabel. Bergab verrichtet das hochwertige Fox Factory-Fahrwerk einen sehr guten Dienst: Das Fahrwerk arbeitet sehr sensibel und schluckt auch harte Schläge souverän weg. Die Specialized-Reifen spenden auf losem Untergrund viel Komfort und Sicherheit, sind bei extremem Matsch aber überfordert. Das Gewicht von 12,9 Kilo (Größe L, ohne Pedale, mit Flaschenhalter, MarshGuard, Multi-Tool im Steuerrohr) ist angesichts der Abfahrtsperformance in Ordnung, in dieser Preisklasse aber kein Bestwert.
Im direkten Vergleich lässt sich das ST Expert deutlich agiler durchs Gelände bewegen. Die schmaleren Reifen erzeugen ein direkteres Fahrgefühl und geben mehr Feedback vom Untergrund. Das Rock-Shox-Fahrwerk arbeitet deutlich straffer und sorgt für ein spritzigeres Handling. Bei den matschigen Testbedingungen konnten uns die schmalen Reifen mehr überzeugen als ihre breiten Pendants. Das ST Expert bringt in Größe M 13,1 Kilo auf die Waage (ohne Pedale, mit Flaschenhalter, MarshGuard, Multi-Tool im Steuerrohr).
Das Evo konnten wir leider nur mit 27,5 x 2,6 Zoll breiten Reifen fahren, nicht mit den großen 29 x 2,6 Zöllern. Bergab erzeugt die extrem flache Geometrie (Lenkwinkel 63,5 Grad) viel Laufruhe, der lange Reach gefällt. Bergauf limitieren das hohe Gewicht (15,1 Kilo ohne Pedale, mit Flaschenhalter, Tool, Marshguard) und die abfahrtslastige Geometrie. Der neue Kettenstrebenschutz scheint zu funktionieren: Alle Testbikes waren extrem leise, nichts klappert.