Stefan Frey
· 28.03.2017
Um das erste All Mountain von YT Industries wurde ein riesen Hype veranstaltet. Wir haben neue Jeffsy zum Duell mit dem deutlich teureren Hightower aus der Edelschmiede Santa Cruz gebeten.
Dreitausend Euro. Dafür bekommen Sie nicht etwa eines unserer beiden Test-Bikes. Nein, dreitausend Euro trennen das brandneue Jeffsy des Forchheimer Versenders YT Industries vom Hightower CC aus der kalifornischen Edelschmiede Santa Cruz. 4500 Euro – so viel kostet das Jeffsy – werden nur die wenigsten Biker für ein All Mountain ausgeben wollen oder können, doch angesichts der Ausstattung wirkt der Preis für das YT fast wie ein Geschenk. Alleine die Carbon-Laufräder von DT Swiss schlagen mit fast 2000 Euro zu Buche. Ein feinfühliges Fox-Factory Fahrwerk, die super leichte Race-Face-Next-SL-Kurbel und Guide-Ultimate-Bremsen lösen fast intuitiv den Greifreflex aus. Zumal der schicke Kohlefaserrahmen sauber verarbeitet und mit 2862 Gramm inklusive Dämpfer auch nicht zu schwer geraten ist.
Dagegen wirkt das Hightower CC schon fast ein wenig knausrig. Tritt man in die deutlich schwerere Race-Face-Turbine-Kurbel, drehen sich für 7500 Euro bloß Alu-Laufräder in den Ausfallenden. Beim Fahrwerk greift aber auch Santa Cruz ganz oben ins Rock-Shox-Regal: Die Pike RCT3 an der Front wird von einem Monarch-Dämpfer mit Debon-Air-Luftkammer unterstützt. Der hochwertige Rahmen wiegt mit 2783 Gramm auf dem Papier zwar etwas weniger, dafür haften am Jeffsy-Rahmen zahlreiche sinnvolle Schützer. Das YT rollt gepanzert wie eine Präsidenten-Limousine auf den Trail. Bei Santa Cruz verzichtet man dagegen fast vollständig auf den Rahmenschutz – was leider schnell zu Lasten des Lackes geht.
Studiert man die technischen Daten der Kontrahenten, könnte man sie glatt für Zwillinge halten. Optisch ähnliche Rahmenform, 140 Millimeter Federweg an Front und Heck, flacher 67-Grad-Lenkwinkel und 29-Zoll-Laufräder – man muss schon etwas genauer hinschauen, um die Unterschiede zu erkennen. Doch schon beim ersten Aufsitzen wird klar: Es müssen zumindest zweieiige Zwillinge sein. Während das Jeffsy den Piloten durch den ungewohnt hohen Riserbar aufrecht-komfortabel platziert, fällt die Sitzposition auf dem Hightower durch den längeren Reach und die tiefere Front deutlich sportlicher aus. Das Hightower klettert absolut antriebsneutral und – Überraschung – selbst die schnöden Alu-Laufräder beschleunigen einen Zacken schneller als die Carbon-Rundlinge. Beim Jeffsy dagegen spürt man bergauf leichtes Wippen – da hilft nur der Plattformhebel, und in steilen Passagen will sich das Bike wegen der höheren Front etwas früher aufbäumen.
Biegt man auf den Trail, zeigt sich ein anderes Bild. Trotz längerer Kettenstreben wirkt das Jeffsy wendiger und verspielter als das Hightower und gibt gefühlt mehr Federweg frei. Die hohe Front vermittelt vor allem in steilen Passagen viel Sicherheit, verlangt generell aber auch mehr Druck auf dem Vorderrad. Das Santa Cruz ist straffer abgestimmt und bietet seinen Federweg weniger bereitwillig an – man muss das Hightower aktiver, energischer fahren als das Jeffsy. Bei hohen Geschwindigkeiten trumpft das Santa Cruz mit seiner stoischen Ruhe, in schnellen Kurven bietet es volle Kontrolle. Sowohl die Onza-Bereifung am YT, als auch die Maxxis-Kombi am Santa Cruz bieten hier ein hohes Maß an Traktion – solange der Untergrund trocken ist. Bei feuchten Wurzeln oder Steinen kommt der Onza Ibex schneller an seine Grenzen.
Apropos Reifen: Das Santa Cruz lässt sich dank breitem Hinterbau, Geometrieverstellung und Boost-Standard auf Plus-Bereifung umrüsten. Dadurch verändert sich der Charakter des straffen Racers deutlich: Mit maximaler Traktion und spürbar mehr Komfort geht es nun bergab. Im Anstieg fehlt dem Hightower dafür die Spritzigkeit. Der Wechsel auf Plus-Reifen ist für Touren-Fahrer eine nette Option, unserer Ansicht nach aber eigentlich die schlechtere Wahl.
Fazit Stefan Frey, BIKE-Redakteur
"Jeffsy und Hightower – nur auf den ersten Blick Zwillinge. Auf dem Trail entpuppen sich die beiden All Mountains als zwei ungleiche Brüder. Das Jeffsy als komfortables und verspieltes Touren-Bike mit Edelausstattung. Das Hightower als sportlich straffes All Mountain, das auch bei Enduro-Rennen eine gute Figur machen würde. Preis, Ausstattung und Gewicht – eigentlich spricht alles für das extrem preiswerte Versender-Bike. Das bessere Bike nach Punkten stellen allerdings die Californier aus Santa Cruz auf die Laufräder – auch wenn alleine das Rahmen-Set schlappe 3499 Euro kostet. Aber träumen wird man ja wohl noch dürfen. "
Santa Cruz Hightower CC
Mit dem Hightower stellen die Californier ein sportlich straffes All Mountain auf die Laufräder, das antriebsneutral klettert und laufruhig ins Tal rauscht. Das Fahrwerk bietet auch im groben Gelände stets Reserven und liebäugelt mit dem ein oder anderen Enduro-Einsatz. Die Möglichkeit, auf Plus-Bereifung zu wechseln, macht vor allem für technisch weniger versierte Fahrer Sinn. Für 7499 Euro bekommt man nicht gerade ein Ausstattungswunder, dafür ein Kult-Bike mit Charakter.
YT Industries Jeffsy CF Pro
Zählt man die Kosten für die astreine Ausstattung des Jeffsys zusammen, bekommt man den sauber verarbeiteten und durchdachten Carbon-Rahmen quasi geschenkt. Das Angebot ist schlichtweg "saugut" und das Fahrverhalten auch. Spielerisch zirkelt es über die Trails und bietet vor allem im steilen Gelände viel Sicherheit und Reserven. Der Fahrer ist zentral im Rahmen positioniert, lediglich an sehr steilen Anstiegen und bei langsamer Fahrt kann sich die hohe Front leicht störend auswirken.
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