Christoph Listmann
· 24.05.2012
Sportliche Fullys um 2500 Euro bedienen eine riesige Zielgruppe. Doch die Frage nach der Laufradgröße ist spannend. Ein 29er von Bulls tritt gegen ein 26er von Carver an. Wer hat den Reifen vorn?
Bulls und Carver – zwei Marken aus dem Fachhandel – die jedoch in Preis und Leistung sogar Versender-Bikes die Stirn bieten. Bulls-Bikes stehen beim ZEG-Händler, Carver vertreibt seine Palette über die 16 Fahrrad-XXL-Filialen. Beide Hersteller sind mittlerweile weit entfernt vom Fernost-Null-Acht-Fuffzehn, beschäftigen Entwicklungsabteilungen und schicken Rennteams um die Welt. Was beide auch gut können: Fullys im wichtigsten Preissegment, nämlich 2500 Euro, preisaggressiv ausstatten.
Zum Duell tritt das 29er Bulls Wild Flow mit 100 Millimetern Federweg gegen das Carver Transalpin 140 mit 130 mm Federweg an. Frage: Können die großen Laufräder den geringeren Federweg egalisieren? Antwort: Ja, sie können. Doch zuerst geht’s ins BIKE-Testlabor: Beim Fahrwerksgewicht hat Bulls die Nase vorn (3 kg), der Carver Rahmen wiegt 300 Gramm mehr. Im Gesamtgewicht hängt das 26-Zoll-Carver den Konkurrenten wiederum um 300 Gramm ab, ein halbes Kilo steckt in den Laufrädern. Bei der Rahmensteifigkeit schenken sich beide nichts. Mit 64 Nm/Grad beim Bulls bzw. 62 Nm/Grad gehören sie nicht zu den bocksteifen Vertretern.
Die Geometrie beider Bikes ist trotz der unterschiedlichen Laufraddurchmesser fast identisch, das Handling auf der Gardasee-Testrunde jedoch total verschieden. Mit dem Carver beschleunigt man deutlich schneller, das Bike fühlt sich agiler an, hetzt um die Ecken und ist auch für einen Zwischen-Sprint gut. Beim Bulls überwiegt die Laufruhe, die großen Räder halten das Tempo besser, man rollt den Gegenhang noch hinauf, wo man mit dem Carver schon wieder treten muss. Bei den Fahrwerken brauchen beide Bikes Aufmerksamkeit. Das Wild Flow verlangt nach viel Druck im Dämpfer, der Negativfederweg darf 15 bis 20 Prozent nicht überschreiten, sonst schaukelt das Heck. Beim Transalpin erfreuen die mehrfach verstellbaren Fox-Komponenten. Sie täuschen aber nicht darüber hinweg, dass das Heck beim Treten eintaucht. Hier schafft die mehrstufige Plattform Abhilfe.
Bergab hat das Carver fahrwerksseitig ein paar Zentimeter mehr Reserven, besonders die 130er-Gabel hilft. Das Wild Flow lässt dies allerdings durch seine großen Räder erst gar nicht zum Nachteil werden. In der Handling-Wertung bergab zieht es dem Transalpin durch seine Laufruhe davon. Es schluckt hohe Stufen besser, man fühlt sich in schwierigem Terrain sicherer als auf den 26-Zöllern. Immerhin hat Bulls dem Wild Flow einen 650er-Lenker verpasst. Wir sind dennoch der Meinung, dass ein 690er nicht schaden würde. Wer das Transalpin tunen möchte, schraubt die Bionicon-Kettenführung an und fährt eine Vario-Sattelstütze – damit wäre der Einsatzbereich noch größer.
Auch bei der Ausstattung schenken sich beide wenig. Bulls setzt komplett auf Shimano XT, Carver auf den Gegenspieler von SRAM, die X0, dazu Syntace-Komponenten und leichte Laufräder – unterm Strich hochwertiger, aber auch 100 Euro teurer. So verdienen beide Bikes das Urteil „sehr gut“, die Punkte lassen sich aber nicht vergleichen. Das Bulls beurteilten wir nach Marathon-Kriterien, das Carver unter All-Mountain-Aspekten unseres Testsystems.
CARVER TRANSALPIN 140
PLUS Ausgezeichnete Ausstattung fürs Geld, sportlich leichtes Bike mit breitem Einsatzbereich. Top Fahrwerkskomponenten von Fox mit vielseitiger Verstellmöglichkeit. Gutes Cockpit.
MINUS Der Hinterbau arbeitet im Sitzen viel, ist nicht ganz antriebsneutral. Carver will das in Serie durch eine neue Wippe eliminieren.
BULLS WILD FLOW 2
PLUS Sehr gute Ausstattung fürs Geld. Gelungenes, vielseitiges Handling, besonders souverän bergab. Lockout am Lenker.
MINUS Der Lenker dürfte noch etwas breiter sein. Fahrwerk könnte noch Feinschliff vertragen. Präzise Abstimmung wichtig!