Adrian Kaether
· 26.10.2021
Mit dem neuen Raze will Mondraker den Touren-Markt zurückerobern. Die Zutaten: 29 Zoll, 130 Millimeter Federweg und die Gene des Enduros Foxy. Wir konnten das Bike bereits testen.
Bislang klaffte im Produktportfolio von Mondraker eine große Lücke. Ausgerechnet im mittleren Federwegbereich boten die Spanier seit Längerem nur noch etwas angestaubte Einsteiger-Bikes an. Wer Highend wollte, musste zum Sport-Tourer F-Podium DC mit 120/115 Millimetern Federweg greifen oder gleich zum Enduro Foxy.
Die 130-Millimeter-Lücke soll nun das neue Mondraker Raze schließen, so viel Federweg stellt der Full-Floater-Hinterbau laut Werksangabe zur Verfügung. Klingt nach wenig, doch die BIKE-Labormessung ergibt: Es ist etwas mehr – sogar bis zu 138 Millimeter. Die Spanier kombinieren diesen Hinterbau mit Laufrädern in 29 Zoll und einer 150er-Gabel.
Mondraker macht damit klar, dass das Raze nicht einfach als sportliches Trailbike zu verstehen ist. Eher als eine effizientere Variante des Enduros Foxy. Besser zu pedalieren und aktiver zu fahren, aber noch immer mit einem klaren Fokus auf Abfahrt.
Auch die Geometrie stützt diesen Eindruck. Der Reach ist lang (490 Millimeter in Größe L), der Vorbau dafür mit 30 Millimetern Mondraker-typisch sehr kurz. Damit setzen die Spanier ihr Forward-Geometry-Konzept um, das dem Fahrer erlauben soll, mit viel Druck auf der Front zu fahren, ohne gleich den Überschlag fürchten zu müssen.
Der Lenkwinkel von 66 Grad und die 435 Millimeter langen Kettenstreben klingen nach einem guten Kompromiss aus Agilität und Laufruhe, der Sitzwinkel liegt bei gemessenen 76 Grad - steil aber ein grad flacher als die Werksangabe. Das Bike bietet Platz für einen Flaschenhalter und ist entsprechend des Einsatzzwecks auch mit Dämpfern mit Ausgleichsbehältern kompatibel.
Vorerst wird es das Raze nur mit Carbon-Rahmen geben, die Preise sind auch gemessen an der Ausstattung sportlich angesetzt. Immerhin: Wie alle Carbon-Bikes von Mondraker ist auch in den Raze-Modellen das hauseigene Telemetrie-System Mind verbaut, das neben Infotainment auch Anhaltspunkte zum korrekten Fahrwerks-Setup gibt.
Das günstigste Modell Raze R kostet so bereits 5999 Euro und kommt dafür mit Fox-Performance-Fahrwerk, XM1700-Spline-Laufrädern aus der oberen Mittelklasse von DT Swiss und einem günstigen Schaltungsmix aus Sram NX und GX. Das Top-Modell Raze RR SL schlägt mit 9999 Euro zu Buche. Dafür gibt's dann ein Fox-Factory-Fahrwerk, einen Mix aus der elektronischen GX-Schaltung und der X01 AXS von Sram und leichte Highend-Carbon-Laufräder von DT (XMC 1200 Spline). Auf Srams leichte Topgruppe XX1 AXS muss man aber auch beim Topmodell verzichten – trotz des Preises.
Das mittlere Modell Raze RR bietet für 7399 Euro den besten Kompromiss, da hier ebenfalls das Factory-Fahrwerk von Fox zum Einsatz kommt. Die DT-Laufräder teilt sich das RR mit dem Einstiegsmodell, bei der Schaltung kommt aber ein Mix aus den höherwertigen GX- und X01-Komponenten zum Einsatz, die mechanisch betrieben werden.
Alle Bikes kommen mit dem etwas griffigeren Maxxis Dissector am Vorderrad und dem schnelleren Agressor am Hinterrad, gebremst wird in der Serie mit der etwas schwächlichen – aber recht leichten – G2-Bremse von Sram mit 180er-Scheiben. Schwere Fahrer sollten hier mindestens ein Upgrade auf größere Scheiben einplanen.
In einer Vorserien-Ausstattung (abweichend von Serie: Laufräder, Bremse, Vorderreifen) konnten wir das neue Mondraker Raze RR bereits ausführlich fahren und uns einen ersten Eindruck verschaffen. Bergauf lässt das Bike bereitwillig beschleunigen, wippt bei offenem Dämpfer aber spürbar. Die Plattform schafft hier bei längeren Schotteranstiegen Abhilfe, das Wippen ist aber auch dann noch ganz leicht zu spüren.
Der Sitzwinkel von 76 Grad ist ein guter Kompromiss zwischen sportlich-vorderradorientiertem Sitzen bergauf und entspannter Pedalierposition in der Ebene. Der Rollwiderstand der Maxxis-Reifen geht in Ordnung, das Bike will aber lieber entspannt bergauf getreten werden, als mit maximalem Zug auf der Kette.
Geht es in die Abfahrt, überzeugt das Mondraker zunächst mit seinem schluckfreudigen und sehr sensiblen Fahrwerk. Die Fox 36 Grip2 lässt sich auch im gröberen Gelände nicht aus der Ruhe bringen, und der Hinterbau fühlt sich sehr schluckfreudig und nach mehr als den laut Hersteller 130 Millimetern Federweg an. Und tatsächlich quetscht das Mondraker Raze laut unserer Labormessung ganze 138 Millimeter Hub aus dem Dämpfer. Durch den langen Rahmen muss das Mondraker allerdings mit viel Druck auf der Front gefahren werden. Dann überzeugt es mit einem sportlich-agilen Handling und einer relativ hohen Laufruhe, den kurzen Kettenstreben zum Trotz.
Schade allerdings, dass der Hinterbau sich zunächst etwas undefiniert anfühlte und relativ schnell durch den Federweg rauschte - mit einem strafferen Setup (SAG unter 30 Prozent) und voller Druckstufe im Dämpfer besserte sich das Verhalten jedoch spürbar. In schnellen Kurven fiel außerdem die geringe Steifigkeit des Hinterbaus auf. Gerade im Kontrast zu der steifen Front fühlte sich das zuweilen etwas gewöhnungsbedürftig an, sorgte aber immerhin für gute Traktion auf Schrägen Wurzeln, trotz des schnellen Hinterreifens. Kleinere Kritikpunkte an einer dennoch für ein All Mountain dieser Federwegklasse überzeugenden Performance. Doch zu Preisen ab 5999 Euro darf man schließlich auch Einiges erwarten.