Henri Lesewitz
· 21.03.2023
Die Sram Transmission feiert Premiere. Trotz radikaler Neuerungen ist vieles der neuesten elektronischen AXS-Schaltung beim Alten geblieben. Die Anzahl der Gänge zum Beispiel. Ebenso die Funktechnik. Der Fokus bei der Entwicklung lag auf maximaler Schaltperformance und Langlebigkeit. Geht das Konzept auf? Wir haben die teuerste MTB-Schaltung der Welt ausprobiert.
Mit der Transmission präsentiert Sram die fetischistische Ausoptimierung des bewährten AXS-Antriebs. Trotz radikaler Neuerungen ist vieles beim Alten geblieben. Die Anzahl der Gänge ist gleich. Ebenso die Funktechnik. Der Fokus bei der Entwicklung lag auf maximaler Schaltperformance und Langlebigkeit. Geht das Konzept auf? Wir haben die Top-Gruppe XX SL seit Monaten im Dauereinsatz und sind mit ihr unter anderen auch ein 24-Stunden-Rennen gefahren. Lohnt sich die teure Supergruppe? Hier unser Erfahrungsbericht.
Bei der Mountainbike-WM in Les Gets 2022 wurden die ersten Prototypen der neuen Sram AXS-Schaltung erspät. Jetzt ist sie da! Die Presse-Info zur brandneuen Eagle Transmission sprengt alle Dimensionen. Alleine das PDF, das alle Innovationen und Varianten des neuen Antriebs auflistet, umfasst 57 Seiten. Man klickt sich staunend durch das Dokument und ist fast erschlagen von der Vielzahl technischer Clous. Doch das, was man nach der Evolution von 2x10 zu 1x11 und dem anschließenden 1x12 eigentlich erwartet hat, findet sich auf den 57 Seiten nicht: der Schritt zu 1x13. Das ist das eigentlich Erstaunliche. Sram hat den kompletten Eagle-AXS-Antrieb renoviert, bleibt aber bei zwölf Ritzeln.
Eine 13fach-Schaltung hätte zu viele Kompromisse bedeutet. Zudem haben wir nicht gesehen, welchen Riesennutzen das gebracht hätte - Frank Schmidt, leitender Ingenieur des Transmission-Projekts
Wichtigste Neuerung gegenüber der Vorgängerschaltung Eagle XX1: Das Schaltwerk wird nicht mehr an ein klassisches Schaltauge geschraubt, sondern sitzt dank voll integriertem UDH-Link auf der Hinterradachse. Das sorgt für eine stets optimale Position zur Kassette. Erster Rüttelcheck: Das Schaltwerk sitzt bombenfest und ohne Spiel. Praktischer Nebeneffekt: Die Position des Schaltwerks ist immer optimal und muss nach dem Anschrauben nicht mehr feinjustiert werden. Deshalb gibt es (anders als beim bisherigen XX1 AXS-Schaltwerk) weder eine Umschlingungsschlaube noch Schrauben zum Einstellen des oberen und unteren Anschlags. 1:0 für Transmission.
Sram bietet den neuen Transmission-Antrieb in drei Versionen an. Den Einstieg markiert die X.0-Version mit Alu-Kurbel, die als Komplett-Set für 1900 Euro zu haben ist. Die leichtere, mit edleren Materialien und mehr Extras (z.Bsp. Magic Wheel) ausgestattete XX kostet 2450 Euro. Die Highend-Version XX SL, die sich an unserem Testbike befindet und dank konsequentem Leichtbau gerade mal 1554 Gramm wiegt (Schaltung, Controller, Kassette, Kette, Kurbel), schlägt mit 2650 Euro zu Buche.
Damit ist die Sram Eagle Transmission die teuerste Gruppe der Welt. 2650 Euro. Ein irrer Preis! Die Erwartungen sind entsprechend riesig. Zunächst der direkte Vergleich mit der alten, knapp 700 Euro günstigeren XX1 AXS. Ich fahre erst mit der Vorgänger-Schaltung und dann mit der Transmission einen steilen Anstieg hinauf und schalte jeweils unter Volllast. Klares Fazit: Die Transmission arbeitet spürbar smoother. Selbst bei vollem Pedaldruck rasten die Gänge erstaunlich weich ein. Bei der Vorgängerschaltung fühlt sich das deutlich rauer, härter, archaischer an. Unter Volllast kracht es regelrecht. 2:0 für Transmission.
Was auch gleich auffällt: Die neuen Controller, die jetzt Pods heißen, sind deutlich intuitiver zu bedienen als die originale Wippe der AXS XX1 oder das nachrüstbare Rocker Paddle. Statt einer Wippe haben sie jetzt ein Zwei-Tasten-Design. Jedes Fingerzucken sitzt. Die Controller wirken nicht mehr so dezent wie die Vorgänger-Modelle. Dafür können sie optimal nach den persönlichen Bedürfnissen an Lenker justiert werden. 3:0 für Transmission. Super: Die neuen Pod Controller sind mit den älteren AXS-Schaltwerken kompatibel.
Die Programmierung erfolgt wie gewohnt über die AXS-App. Neben der Tastenbelegung lässt sich programmieren, ob Klick für Klick (Sequential) geschaltet werden soll, oder in in einem Rutsch (Multishift). Ich, der BIKE-Reporter, bevorzuge den Einzelklick-Modus.
Die überragende Schaltperformance der Transmission-Schaltung liegt an dem Zusammenwirken vieler kleiner Details. Kassette, Kette und Kettenblätter sind als System konzipiert. Die Kassette der XX SL* ist ein Wunderwerk der Technik. Material, Form der Zähne und Schalthilfen sind Ergebnis intensiver Entwicklungsarbeit. Sram’s Prototypen-Abteilung am Standort Schweinfurt ist berühmt dafür, die Ideen der Ingenieure sofort umzusetzen, damit Innovationen direkt auf den Trails ausprobiert werden können. Was dort überzeugt, wird im hauseigenen Testlabor malträtiert, bis die letzte Schwachstelle ausgemerzt ist. Schon die XX1-Kassetten erwiesen sich in den Verschleiß- und Dauertests der vergangen Jahre als extrem robust und zuverlässig. Die neue Transmission-Version soll das noch toppen.
Erfreuliche Neuerung: Die Gangsprünge in den kleineren Gängen fallen nicht mehr so groß aus. Die Abstufung ist feiner. Mit 10/52-Zähnen beträgt die Bandbreite immer noch 520 Prozent. Statt des 36er und 42er Ritzels sind bei der Transmission-Kassette aber 38er sowie 44er Ritzel verbaut. Diese bestehen bei der SL-Version (anders als bei XX und X.0) wie das 52er Ritzel aus Alu. Das macht die Konstruktion der Kassette hochkomplex und hat in erster Linie Gewichtsgründe. 347 Gramm sind ein beeindruckender Wert. Der Preis für die SL-Kassette lässt einen aber trocken schlucken: 720 Euro! Da stellt sich natürlich die Frage, wie verschleißresistent das Ganze ist.
Die Antwort lautet: Alles im grünen Bereich. Der filigranen, aber mit extraharter Spezialbeschichtung versehenen XX SL-Kassette konnten unsere bisher knapp 2000 Testkilometer nicht viel anhaben. Was umso erstaunlicher ist, das sie obwohl winterlichem Matschwetter ausgesetzt war als auch dem Staub der Sonora-Wüste in Arizona. Während die neun Stahlritzel kaum Verschleißspuren zeigen, haben die drei Alu-Ritzel an einigen Stellen zumindest kleine Macken, die von harten Schaltvorgängen zeugen. Diese sind aber so fein, dass sie unkritisch sind und keine Auswirkungen auf die Funktion haben. Bis die Kassette getauscht werden muss, wird es aber noch lange dauern. Ist es irgendwann soweit, muss man sich überlegen, ob man 720 Euro für den XX SL-Ersatz hinblättert, oder ob zum Beispiel auch die X.0-Version genügt. Diese wiegt mit 376 Gramm nur 29 Gramm weniger, ist aber schon für 480 Gramm zu haben. Die reine Funktion ist identisch.
Was Abstufung, Schaltverhalten und Gewicht angelangt, punktet die neue Kassette gegenüber der klassischen XX1. Zwischenstand damit: 4:0 für Transmission.
ACHTUNG! Die klassischen, deutlich günstigeren Eagle-Kassetten lassen sich nicht mit Transmission-Parts verwenden. Der Freilauf-Standard ist zwar gleich. Doch die Position der Kassette ist anders. Und auch die Form der Zähne ist voll auf die ebenfalls neue Flattop-Kette ausgelegt. Diese Ketten kennen wir bereits aus Srams Rennradschaltungen eTap AXS. Mit der geraden Oberkannte sehen sie zwar rattenscharf aus, schlagen aber leider auch eine deutlich größere Kerbe in den Kontostand als die klassischen Eagle-Ketten. 120 Euro kostet die günstigste X.0-Version. Die Edel-Variante der Kette XX SL mit ausgefrästen Laschen brennt mit 180 Euro ein richtig großes Loch ins Portemonnaie.
Mit Transmission präsentiert Sram noch ein cleveres Feature, dass besonders für Rennfahrer interessant ist. Die Kurbeln können auch mit Powermeter geordert werden. Die Blätter, die in vier Größen erhältlich sind, lassen sich dank eines neuen, simplen Befestigungssystems extrem einfach wechseln. Etwa, um die Übersetzung spontan der Strecke anzupassen.
Bei lockeren Fahrten auf der Hausrunde macht sich der Unterschied der neuen XX SL Transmission gegenüber der klassischen Eagle AXS XX1 nicht allzu groß bemerkbar. Zwar funktioniert alles unauffällig und exakt so, wie man es von einer Schaltgruppe erwartet. Das ist aber auch bei der XX1 der Fall. Im 1:1-Vergleich offenbaren sich, wie bereits geschrieben, einige Pluspunkte für das Transmission-System. Der gewaltige Preisunterschied ist im normalen Touren-Gebrauch aber nicht unbedingt fühlbar. Klar, das grundsätzliche Funktionsprinzip ist ja gleich. Deshalb hält auch der Akku bei beiden System in etwa gleich lange: laut Hersteller 20 bis 25 Betriebsstunden. In der Praxis aber gefühlt ewig, da man sich schnell an das Akku-Management gewöhnt und den Akku daher nie leerfährt.
Wie sieht es im harten Renneinsatz aus, für den die XX SL ja entwickelt wurde? Um das herauszufinden, ging ich, der BIKE-Reporter, beim 24 Hours in the old Pueblo an den Start, einem der ältesten und legendärsten 24-Stunden-Rennen der Welt. Die Bedingungen in der Sorora-Wüste in Arizona waren perfekt für einen Hardcore-Test: Sand, Fels, extreme Temperaturschwankungen und permanente Steigungswechsel.
Ein 24-Stunden-Rennen im Februar bin ich noch nie gefahren. Und dann noch Solo-Kategorie! Doch locker über den Trail zu kurbeln geht bei einem Rennen nicht. Wie angezündet hetzt die Meute los. Vor allem die Team-Fahrer, die nach jeder der 25 Kilometer langen Runden wechseln, drücken mächtig aufs Gas. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mitzuziehen. Auf dem engen Kurs wäre man sonst der Pfropfen, der alles aufhält. Mit Blutgeschmack im Mund knete ich über den Kurs, der ausschließlich aus Kurven, kurzen Steilstichen und Mini-Abfahrten besteht. Der Schaltungsdaumen hat permanent zu tun. Die XX SL tut entspannt ihren Dienst und sortiert die Gänge. Auch an den ekligen Steilstücken, die sich immer wieder ohne Ankündigung vor mir aufbäumen, rasten die Gänge smooth und ohne das übliche Krachen ein. Ich kann mich voll aufs Fahren konzentrieren. Normalerweise würde ich beim Hochschalten kurz den Druck vom Pedal nehmen, um das Risiko eines Kettenrisses zu minimieren. Dieses kurze Rausnehmen gewöhnt man sich mit Transmission relativ schnell ab. Super.
In Runde zwei stelle ich ein leichtes Knirschen fest, begleitet von einem gelegentlichen Springen der Kette. Die Ursache ist mir sofort klar: Der feine Wüstenstaub hat sich in jede Ritze des Antriebs gelegt. Das Kettenspringen aber ist ungewöhnlich. Können sich durch den Schmutz einzelne Kettenglieder nicht mehr frei bewegen? Ich nehme beim Schalten jetzt doch ein wenig den Druck raus. Nach Beendigung der Runde wische ich die Kette sauber und öle sie neu. Nun funktioniert wieder alles. Die Mahlgeräusche sind weg. Die Schaltvorgänge funktionieren geschmeidig. Passt.
So ziehe ich meine Runden. Der Antrieb arbeitet unauffällig. Die Gangwechsel klappen präzise. Hoch wie runter. Und obwohl das Schaltwerk regelmäßig Kontakt mit einem der Steine hat, die überall auf dem Trail liegen, bleibt die Schaltperformance präzise. Durch die UDH-Aufnahme sitzt es so sicher am Rahmen, dass selbst gröbere Schläge kein Verbiegen der Aufnahme zur Folge haben, die ein Nachjustieren erfordern würden.
Deutlich empfindlicher reagieren die Kurbeln auf Steinkontakt. Aus optischen Gründen habe ich die original montierte Gummikappe an den Pedalaugen abgezogen. Keine gute Idee: Jetzt haben die Kurbelarme massive Schrammen in der Carbon-Oberfläche. Technisch gesehen zwar nicht so schlimm, optisch aber ein Desaster. Mein Tipp: Die Gummikappen unbedingt drauflassen. Auch wenn es weniger elegant aussieht als cleane Kurbelarme.
Nach 24 Stunden kämpfe ich mich mit maximal zermürbten Beinen ins Ziel. Die XX SL Transmission würde im Gegensatz zu mir wahrscheinlich weitere 24 Stunden durchhalten. Keine Spuren von Verschleiß oder Müdigkeit. 270 Kilometer und 4000 Höhenmeter. Keine schlechte Bilanz für einen Februartag.
Die Sram XX SL Transmission ist eine rundum perfekte Schaltgruppe und setzt eine neue Benchmark. Sie funktioniert zuverlässig, bietet maximalen Schaltkomfort und zeigt sich im Dauertest äußerst robust. Auffälligste Funktionsunterschiede zur klassischen XX1 AXS sind das smoothere Schaltverhalten unter Last sowie der neue Controller, der sich deutlich intuitiver bedienen lässt. Ob einem das der erhebliche Mehrpreis der Transmission wert ist, hängt von den persönlichen Ambitionen beim Biken sowie vom finanziellen Spielraum ab. Wem Status und Gewichtsrekorde nicht so wichtig sind, für den könnte die funktionsgleiche aber 750 Euro günstigere X0 Transmission eine gute Alternative sein. – Henri Lesewitz, BIKE Chefredakteur
Schaltwerk: 414 Gramm / 700 Euro (ohne Akku) >> hier erhältlich*
Akku: 24 Gramm / 49 Euro
Kurbel (mit Kettenblatt): 458 Gramm / 660 Euro >> hier erhältlich*
Controller: 46 Gramm / 240 Euro
Kassette: 347 Gramm / 720 Euro >> hier erhältlich*
Kette (126 Glieder): 265 Gramm / 180 Euro >> hier erhältlich*
Gesamt: 1554 Gramm / 2650 Euro