Ludwig Döhl
, Stefan Loibl
· 24.05.2018
Shimano rüstet bei der neuen XTR-Schaltgruppe auf 12 Ritzel auf. Hier alle Infos und Bilder zur neuen Top-MTB-Schaltung der Japaner inkl. Gewichten und erstem Fahreindruck.
Shimano ist unangefochtener Marktführer für Fahrradschaltungen. Doch der Erfolg der 1x12-Schaltungen des einzigen ernst zu nehmenden Konkurrenten Sram knappst dem Marktführer vor allem im Highend-Mountainbike-Segment immer mehr Marktanteile ab. Die Japaner konterten zwar auf den Vormarsch von Sram mit 1fach-Optionen aller Schaltgruppen oberhalb des SLX-Niveaus und einer neuen Kassette mit 11 bis 46 Zähnen (420 Prozent Bandbreite), konnten den verlorenen Boden damit aber nicht wirklich gutmachen. Auch die elektronischen Di2-Varianten von Shimano sind in freier Wildbahn kaum zu sehen. Doch mit der Neuauflage der Top-Schaltgruppe XTR will Shimano die Konkurrenz in die Schranken weisen.
Die neue XTR-Schaltgruppe kommt erstmals mit einer Kassette mit zwölf Ritzeln und sticht mit einer Abstufung von 10 bis 51 Zähnen und 510 Prozent Bandbreite sogar die Eagle-Antriebe von Sram aus. Um Platz für das kleine 10er-Ritzel zu schaffen, rückt man erstmals von der Jahrzehnte alten Verzahnung am Freilauf ab – zugunsten eines neuen Micro-Spline-Freilaufs, der nun Standard werden soll. Shimano begründet die 51 Zähne des größten Ritzels damit, dass man so auf den größten drei Ritzeln einen gleichmäßigen Sprung von sechs Zähnen hat (10-12-14-16-18-21-24-28-33-39-45-51 Zähne).
Im Gegensatz zu den Amerikanern beerdigt man den Umwerfer in Japan noch nicht. Denn es wird auch bei der neuen XTR-M9100 – der XC- und Marathon-Version der XTR – eine Zweifach-Version mit 612 Prozent Bandbreite geben. Die neue Kurbel bleibt zwar Shimano-typisch aus Aluminium, kann aber entweder mit Einfach-Direkt-Mount-Kettenblättern oder mit einem Zweifach-Kettenblattsatz bestückt werden. Für Fans von Zweifach-Schaltungen bietet Shimano die Kettenblattkombination 38/28 sowie eine extrem eng abgestufte Kassette mit ebenfalls zwölf Ritzeln. Das zweite Zwölffach-Ritzel hat eine Abstufung von 10 bis 45 Zähne. Diese Kombination soll mit einer Bandbreite von 612 Prozent vor allem Marathon-Fahrer und Touren-Biker ansprechen. Der linke Schalthebel ist ein „Mono-Shifter“, d.h. es gibt nur einen Hebel. Er funktioniert wie ein Kugelschreiber.
Für Puristen gibt es sogar eine 1x11-Version der neuen Shimano XTR. Der Kassette fehlt dann einfach das große 51er-Ritzel. Damit will man Platz für mehr Abstand zwischen den Nabenflanschen schaffen und die Laufräder so stabiler machen. Die Gewichtsersparnis liegt bei immerhin 50 Gramm. Vorerst gibt es die neue XTR nur als herkömmliche mechanische Schaltung. Über eine elektronische Di2-Variante im Modelljahr 2020 wird aber bereits spekuliert. Die neue Shimano XTR M9100 soll preislich auf dem Niveau der aktuellen XTR liegen und ab September 2018 erhältlich sein.
Auch die Bremsanlage wurde komplett überarbeitet. Die Klemmung des Bremshebels ist in Zukunft mittig am Geberkolben angebracht. Um die Verwindung beim Ziehen des Bremshebels zu minimieren, liegt der Geberkolben zusätzlich am äußersten Eck noch am Lenker auf. Der steifere Bremshebels soll so für ein direkteres Bremsgefühl sorgen. Neben dem Bremssattel mit zwei Kolben für Cross-Country-Racer (BR-M9100) wird es auch eine Version mit vier Kolben und mehr Power geben (BR-M9120). Die Bremskraft dieser XTR-Vierkolbenbremse soll auf einem Niveau mit der Shimano Saint bzw. Zee liegen. Für Enduro-Biker wird es außerdem eine Kurbel mit breiterem Q-Faktor (168 statt 162 mm geben).
In der Vergangenheit hat Shimano die Neuheiten der XTR immer zeitnah auf die günstigere XT-Gruppe übertragen. Bleiben die Japaner ihren Produktzyklen treu, müssten sie nächstes Jahr eine XT-Schaltung mit zwölf Ritzeln an der Kassette zeigen.
Vergleicht man nur den Antrieb (Kette, Kurbel, Kassette, Schalthebel) spart die neue XTR M9100 laut Hersteller 28 Gramm gegenüber der Vorgänger-Schaltung mit nur elf Ritzeln und deutlich geringerer Übersetzungs-Bandbreite. Verglichen mit dem Sram XX1-Eagle-Antrieb soll die neue Shimano XTR nur noch acht Gramm einsparen. Die Herstellerangaben zu den einzelnen Bauteilen finden Sie in der Tabelle unten, ein ausführlicher Fahrtest der neuen Shimano XTR M9100 folgt in BIKE 8/18. Sram hat übrigens schon wieder ein Ass im Ärmel. Wie bereits in BIKE 5/18 gezeigt, kursieren schon erste Prototypen einer elektronischen Eagle-Schaltung.
*Alle Shimano-Gewichte sind Herstellerangaben. Nur der rechte Schalthebel für die einfach Option. Kurbel inklusive 34er-Kettenblatt. Die Gewichtsangabe bezieht sich jeweils auf ein Paar Bremssättel und Bremsgriffe, ohne Scheiben und Schrauben zur Befestigung.
Wir hatten die Möglichkeit, die neue XTR wenige Meter zu testen und uns so einen ersten Eindruck der neuen Schaltgruppe zu verschaffen. Die gummierten Schalthebel bieten dem Daumen deutlich mehr Grip als die blanken Carbon-Hebel des Vorgängers. Die Bedienkräfte beim Schalten liegen aber in etwa auf dem Niveau der alten XTR. Die Gangwechsel gelingen präzise und schnell. Dreht man die Kurbel auf dem Montageständer wirkt es, als laufe die Kette etwas rau auf der Kassette. Das minimal raue Gefühl könnte allerdings auch am Prototypen-Status oder der Einstellung des Testbikes liegen. Eine definitive Aussage darüber lässt sich erst nach weiteren Testfahrten treffen. Die zweite Abstützung des Bremshebels am Lenker macht diesen tatsächlich deutlich steifer. Rein optisch verwindet sich der Hebel kaum mehr beim Bremsen. Der Druckpunkt am Lenker ist wie bei Shimano-Bremsen üblich knackig hart und gut definiert.