Christian Penning
· 04.11.2022
E-Bike-Motoren müssen nicht nur Leistung liefern, sie sollen auch schön ruhig dahinschnurren. Julius Thorwart feilt bei Light-Motoren-Pionier Fazua an der Geräuschentwicklung der Antriebe. Mit Hightech-Headset, Schallsensoren und Akustik-Software ist er dem optimalen Sound eines Fazua Motors auf der Spur.
EMTB: Julius, möglichst leise Motoren zu konstruieren, zählt zu Deinen Hauptaufgaben als Produktentwicklungsingenieur bei Fazua. Bist Du selbst eher ein lauter oder ein leiser Charakter?
Julius Thorwart: Vom Typ her bin ich eher leise. Doch wenn ich Musik mache, darf es maximal laut sein. Ich hatte mal eine Metal-Band.
Gibt es Parallelen zwischen E-Bike-Motoren und hartem Metal-Sound?
Klar! Im Endeffekt sollte sich beides gut anhören. Und: Bei Motoren wie bei der Musik hat jeder seinen individuellen Geschmack. Am Ende sollte immer ein positives Gefühl bleiben.
Wie nehmen wir Motorgeräusche beim E-Biken wahr?
Das kann von Person zu Person sehr unterschiedlich ausfallen. Wenn ich zum ersten Mal auf einem E-Bike sitze, registriere ich die Geräusche anders, als wenn ich tagtäglich auf einem Pedelec sitze.
Ist das denn überhaupt gewollt, dass man den Motor beim Fahren hört?
Ein gewisser Motor-Sound ist durchaus sinnvoll. Er signalisiert mir: Der Motor läuft, ist einsatzbereit und befindet sich in gutem technischem Zustand. Einen defekten Motor würde man akustisch schnell identifizieren. Unabhängig davon ist nicht nur die Lautstärke entscheidend: Der Antrieb darf auch im Fahrgeräusch nicht störend klingen. Das Summen einer Mücke, zum Beispiel, ist leise, aber durch seine Tonalität und die hohe Frequenz hebt es sich stark vom Hintergrund ab und wirkt auf uns sehr unangenehm. Mit mahlenden oder knatternden Geräuschen assoziieren wir: Da ist etwas kaputt. Breitbandige, tieffrequente Geräusche nehmen wir dagegen als weniger störend wahr.
Weitere Infos zu Fazua E-Bike-Motoren finden Sie in unseren Artikeln:
Wie misst Du die Antriebsgeräusche bei Fazua?
Wir messen bewusst sowohl unter Laborbedingungen als auch im Freien. Es kommt auch darauf an, was man misst. Zum einen ist da der Körperschall: mechanische Schwingungen, die im Inneren des Antriebs von Bauteilen, wie Motor, Getriebe und Lager, erzeugt werden. An der Oberfläche regen sie Luftmoleküle in der Umgebung zum Schwingen an. So entstehen Luftschallwellen. Die pflanzen sich in der Umgebungsluft fort, bis sie am Ohr oder an meinem Mikrofon ankommen. Körperschall messen wir mit Beschleunigungssensoren, Luftschall mit einem Mikrofon. Letzteres ist häufig sehr aufwändig, da die Umgebung die Messungen beeinflussen kann. Wald und Wiesen dämpfen die Geräusche, in einer engen, felsigen Schlucht wird der Schall reflektiert und klingt intensiver. Im Idealfall gehen wir in ein externes Sound-Labor. Das ist aber sehr teuer. Ein Tag kostet mehrere Tausend Euro.
Wie lässt sich der Sound eines E-Antriebs konkret optimieren?
Man kann sich das wie eine Kettenreaktion vorstellen. Gelingt es uns als Ingenieuren, den Körperschall der Bauteile geringzuhalten, führt das auch zu weniger hörbarem Luftschall. Die größten Stellschrauben hat man bei Motor und Getriebe. Beim Elektro-Motor kann man durch Form und Anordnung der Bauteile wie Spulen und Magneten eine Geräuschreduzierung erreichen. Beim Getriebe lässt sich viel herausholen, indem man das Zusammenspiel der Zahnräder optimiert und geräuschdämmende Materialien wie spezielle Kunststoffe einsetzt.
Beeinflusst auch der Bike-Rahmen den Sound?
Auch der spielt eine wichtige Rolle – ähnlich wie der Korpus bei einer Stradivari. Bei der Geige wird der Klangkörper durch Vibrationen der Saiten in Schwingung versetzt. In welchem Maß ein Bike-Rahmen die Schwingung des Antriebs annimmt, weiterleitet und in hörbaren Luftschall umwandelt, hängt stark vom Rahmen-Design ab. Steifigkeit und Querschnitt spielen eine Rolle, ebenso wie das Material. Ein Rahmen aus Carbon klingt anders, als wenn er aus Aluminium gefertigt ist. Wir geben deshalb die Akustikanalyse unserer Motoren an die Hersteller weiter, damit die den Rahmen entsprechend darauf abstimmen können.
Antriebe werden heutzutage am Computer konstruiert. Lassen sich dort auch die entstehenden Geräusche simulieren?
Es gibt noch keine Software, die den Sound im Simulationsprogramm naturgetreu wiedergibt. Sehr gut lassen sich mit Hilfe von Simulationen einzelne Geräuschquellen im System optimieren, beispielsweise der Elektro-Motor oder das Getriebe. Wir können innerhalb kurzer Zeit viele verschiedene Bauteilkombinationen berechnen und bezüglich
ihrer akustischen Qualitäten bewerten und optimieren. Trotzdem kann es hinterher bei Prototypen noch zu Überraschungen kommen. Deshalb testen wir meist mehrere Varianten, um am Ende die beste Gesamtkombination zu ermitteln.
Was ist der Grund für das laute Klappern einiger E-Bikes bergab?
Das lässt sich pauschal schwer sagen. Das kann am Spiel von Bauteilen oder am Freilauf liegen. Aber auch eine vibrierende Akku-Abdeckung kann ein Grund sein – oder Kabel, die nicht ausreichend fixiert sind. Mit Hilfe einer Sound-Cam kann man den abgestrahlten Schall sichtbar und die Geräuschquelle ausfindig machen.
Wie klingt für Dich der ideale E-MTB-Motor?
Leise schnurrend, warm und angenehm.
Julius Thorwart sitzt in einem spartanisch ausgestatteten Büro. Allein. Kaum ein Laut dringt in den weißen Raum. Sein „Assistent“ – so nennt Julius die Büste, die er als Halter für sein Headset verwendet – beobachtet schweigend den Ingenieur. Auf dem Tisch ein Fazua-Motor, der mit dünnen Kabeln an Laptop und Messtechnik angeschlossen ist. Mit einem Hightech-Headset, das auch als Messmikrofon dient, fängt Julius den Sound realitätsgetreu ein.