Henri Lesewitz
· 14.12.2022
Das Desert Dash in Namibia gilt als härteste Nuss für Ausdauer-Biker. 394 Kilometer und knapp 3500 Höhenmeter müssen beim offiziell längsten Mountainbike-Rennen der Welt innerhalb von 24 Stunden bezwungen werden. Die Strecke führt von der Hauptstadt Windhoek durch die glühend heiße Wüste Namib nach Swakobmund am Atlantischen Ozean. Besonders für die Einzelstarter ist das Desert Dash eine extreme Schinderei. Der Deutsche Karl-Heinz Leidel hat das Biest schon viermal als Solist bezwungen und sich für die diesjährige Austragung ein durchoptimiertes Spezial-MTB zusammengebaut. Eine Mischung aus Fully, Gravel-Bike und Zeitfahrrad. Das perfekte Mountainbike zum Kilometerschrubben. Gewicht inklusive Beleuchtung: 12,5 Kilo.
Der Tuning-Aufwand hat sich gelohnt. Karl-Heinz Leidel, von Kumpels nur Charlie genannt, kam als Sechster ins Ziel und gewann mit einer Zeit von 17:16 Stunden die Ü50-Wertung. Hier erklärt er seine Tuning-Maßnahmen an seinem Cannondale Scalpel. Und die gehen weit über das Bike an sich hinaus.
Das Desert Dash ist als MTB-Rennen ausgeschrieben. Ein richtiges, reines MTB-Rennen ist es nicht. Nach vier Teilnahmen mit guten Resultaten hab ich mir für dieses Mal mehr Gedanken über das Bike gemacht. Die Strecke geht über 394 km, meist Schotterpisten. Da wäre ein Gravel-Bike der erste Gedanke. Der Untergrund ist aber streckenweise lose und tief. Dickere Reifen sind daher Pflicht. Aufgrund der gewaltigen Distanz empfiehlt sich ein Fully. Die dauernden Erschütterungen auf den Waschbrett-ähnlichen Pisten sind sonst schnell ermüdend.
Das Steckenprofil ist über lange Strecken flach. Ein paar wenige Abschnitte mit bis zu 20 Prozent Steigung sind nach rund 100 Kilometern zu bewältigen. Niedriges Gewicht und eine große Bandbreite bei der Übersetzung bringen Vorteile.
Die Geschwindigkeit der Besten liegt bei einem rund 25er Schnitt, der meist bei heftigem Gegenwind gefahren wird. Der absolute Luftwiderstand ist also oft deutlich höher. Aerodynamik ist ein Thema. Ein Aero-Bike mit steilem Sitzwinkel und Triathlon-Aufleger wäre gut. Aero-Aufleger sind aber laut Reglement nicht erlaubt. Die Sitzposition darf nicht zu sportlich gewählt werden, man muss auf den Rüttelpisten immer reagieren können. In der zweiten Hälfte des Rennen sind stets akrobatische Dehn- und Streckübungen von Fahrern zu sehen, deren Rücken das Geschüttelt nicht mehr mitmachen will. Hier gilt im Zweifelsfall Ergo vor Aero.
Ideal, so dachte ich, wäre ein leichtes Aero-Gravel-Fully. Das gibt es nicht von der Stange. Also hab ich mir eines gebaut. Das Bike sieht so speziell aus, dass es auch das Bike von jemanden sein könnte, der in seiner Jugend zu oft Mad Max angeschaut hat.
Auch bei der Bekleidung kann man mit etwas Geschick Vorteile rausholen. Ich setze auf eine enganliegende Rennkombination, einen Aero-optimierten Giro-Helm sowie auf Aero-Überzüge über den Schuhen. Diese verhindern auch, das Sand oder Steine in die Schuh kommen.
BIKE: Hat sich der Tuning-Aufwand gelohnt?
Karl-Heinz Leidel: Definitiv. Das Rennen lief gut. Platz 6 Overall. Sieg in der Altersklasse Ü50.
Welchen Anteil hatte Dein Special-Fully daran?
Einen großen. Die Bedingungen waren extrem. Der Gegenwind in der ersten Rennhälfte war heftig. Vor allem der hat zu der satten DNF-Quote von 50 Prozent bei den Solo-Starten geführt. Das Bike war die perfekte Wahl, meine Renntaktik hab ich mehr auf das Bike als auf mich ausgelegt.
Wie hat sich das Tuning konkret ausgewirkt?
Ich hatte auf vielen Streckenabschnitten merklich Vorteile. Überall, wo es gegen den Wind ging, habe ich eine Schippe drauflegen können, Lücken geschlossen oder Fahrer abgeschüttelt. Egal ob bergab, auf langen Geraden oder leicht bergauf. Ich habe Körner gespart, wo andere mehr investieren mussten.
Welche Umbau-Maßnahmen haben am meisten gebracht?
Der Kernpunkt war der Gravel-Lenker in Verbindung mit der Redshift-Sattelstütze. Nach vorne geklappt ist der Sattel 5 Zentimeter weiter vorne und 12 Millimeter höher. So kann die Unterlenker-Position besser gehalten werden. Man sitzt satt im Sattel statt nur auf der Spitze. So war es mir möglich, dem Wind das eine und andere mal ein Schnippchen zu schlagen.
Mein Motto war: Auch ich koche nur mit Wasser, ich kann aber mit einem besseren Herd punkten.
Zum Ende des Rennens - von Checkpoint 4 bis Swakopmund - habe ich ein Loch von 7 Minuten auf den Fünften zugefahren. Leider konnte ich den halb so alten Fahrer aber nicht lange halten als er gekontert hat. Das Bike hat mich effektiver fahren lassen. Jünger gemacht hat es mich aber leider nicht. (lacht)
Wirst Du das Bike auch daheim in Deutschland fahren?
Nein. Das Bike hab ich in Namibia an meinen Händlerkollegen und Freund Mannie Heymanns verkauft. Der wollte es unbedingt haben. Schauen wir mal, ob meine Idee übernommen wird und demnächst auch andere Biker mit einem aerodynamischen Gravel-Fully fahren.